Handel

Alter Markt

Der Alte Markt im Spiegel der Zeit

von Günter Krause, Duisburg

Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit so lautet der Titel eines bekannten Buches. Dies trift für Duisburg und das Mittelalter in ganz besonderer Weise zu. Hier müsste es lauten:“ Mit der U-Bahn in das Mittelalter“. Wenn die U-Bahn aus der Tiefe der Stadt auftaucht befinden wir uns am alten Markt. Hier unterhalb der Salvatorkirche und der mittelalterlichen Pfalzanlage pulsiert das Leben seit über 1000 Jahre.

Kirche und Rathaus
Die archäologische Zone alter Markt mit dem Umriss des Markthallenkomplexes. Dahinter Salvatorkirche (spätgotisch) und Rathaus von 1902 auf dem Burgplatz.
Wartehaus
Informationstafeln an der Bushaltestelle vor der archäologischen Zone.

Das älteste Duisburg wird entdeckt

In einem Leitungsgraben der Stadtwerke Duisburg wurden im Sommer 1980 auf dem Alten Markt eine Fülle von Schichten und Funden entdeckt. Sie reichen ununterbrochen von heute bis in die römische Zeit zurück (1. Jh. n. Chr.). Damit war das lange gesuchte älteste Duisburg gefunden. Seine Reste befinden sich unter dem Alten Markt, dem Burgplatz und in ihrer Umgebung.

Der Alte Markt liegt in einem verlandeten Rheinlauf, der Burgplatz an seinem ehemaligen Ufer. Die Stadtbahn in der Schwanenstraße hat das alte Ufer und Rheinbett durchschnitten und freigelegt. Beide sind noch heute deutlich im Gelände zu erkennen: Blickt man die Schwanenstraße hinunter in Richtung Schwanentor oder geht man vom Burgplatz durch den Rathausbogen oder von der Salvatorstraße auf den Alten Markt, so wird der Geländeabfall deutlich. Das Rathaus, und vor ihm die mittelalterliche Königspfalz an gleicher Stelle, steht auf der alten Uferkante, der Alte Markt liegt bereits in der Rheinaue. Noch bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. floss hier der Rhein und bildete ein steiles Ufer mit über 22 % Gefälle. Wir stehen hier direkt an diesem Ufer. Es liegt etwa 5 m tiefer im Boden. So stark hat sich das Gelände seit dieser Zeit aufgehöht.

Seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. bis ins hohe Mittelalter befand sich der Rheinlauf im Bereich des heutigen Innenhafens. Aber schon vor 1000 brach er bei Essenberg durch und schnitt die Duisburger Rheinschlinge ab. Am Ende des 14. Jahrhunderts war das alte Rheinbett, dass als Hafen diente, ausgetrocknet und Duisburg vom vollkommen Rhein abgeschnitten. Auch der Ruhrverlauf und die Ruhrmündung verlagerten sich. Durch den feuchten Untergrund (Luftabschluss) des alten Rheinbettes haben sich unter dem Alten Markt neben den Funden aus Ton, Glas und Metall auch solche aus Holz, Leder und Knochen wie auch Pflanzenreste in großer Zahl erhalten. So ist es möglich, die Entwicklung menschlicher Lebensbedingungen von der römischen Zeit bis heute und die Veränderungen der Umwelt durch den Menschen an dieser Stelle beispielhaft zu erforschen.

Schnitt durch mittelalterlichen Hafen
Schnitt durch mittelalterlichen Hafen
Hafen

Duisburg, Knotenpunkt an Rhein und Ruhr

Duisburg und Umgebung. Alte und moderne Rhein- und Ruhrverläufe
Duisburg und Umgebung. Alte und moderne Rhein- und Ruhrverläufe

Schon in vorgeschichtlicher Zeit ist das Gebiet am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr ein dicht besiedelter Raum gewesen. Die Verkehrsverbindungen zu Wasser und zu Lande bilden hier einen Knotenpunkt von besonderer Bedeutung für den gesamten unteren Niederrhein. Der Bereich um den Burgplatz, das Zentrum Duisburgs bis heute, hat durch seine Lage an Rheinverlaeufe einem günstigen Rheinübergang schon damals einen bevorzugten Platz eingenommen. Mehrere Rheinverlagerungen sind nachzuweisen. Der Rhein floss bis etwa 100 n. Chr. unter dem Alten Markt. An seinem Ufer, auf dem Burgplatz oberhalb des Marktes, standen römische Steingebäude. Bis um 1000 lag der Rhein im Bereich des Innenhafens. Vor dem Stapeltor floss im großen Bogen die Ruhr in den Rhein. An der alten Rheinfront und der Ruhrmündung ist der wirtschaftlich bedeutende alte Hafen zu suchen. Im Hafenbereich wurden die bisher ältesten Funde (9.-10. Jahrhundert) zur mittelalterlichen Schifffahrt in ganz Nordwesteuropa entdeckt.

Das älteste gesicherte historische Zeugnis über Duisburg gehört in das Jahr 833. Die Wikinger erobern das „Oppidum Diusburh“, in dem sie bis zum Frühjahr 884 bleiben. Aus der gleichen Zeit stammen Nachrichten über einen Königshof und eine Kirche auf dem Burgplatz. In deren Schutze entwickelte sich eine Siedlung, in der sich friesische Fernhandelskaufleute niederließen. Der Königshof, der bis in fränkische Zeit zurückreicht, wurde zu einer befestigten Königspfalz ausgebaut.

Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
Besiedlung vor dem 9. Jahrhundert
Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
9. bis 10. Jahrhundert. Befestigte Pfalz, Fundstellen und Topografie

Im 10. und 11. Jahrhundert ist Duisburg ein wichtiger Pfalzort mit zahlreichen Königsaufenthalten. Schon um 1000 wird eine erste Stadtbefestigung mit Wall und Graben errichtet. Ihr genauer Verlauf ist im Westen und Südwesten der Altstadt noch nicht gesichert.

Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
11. Jahrhundert, Befestigung mit Wall und Graben, Rekonstruktion

 Um 1120 wird der Wall mit einer Mauer verstärkt. Die Stadtbefestigung wird im 13. Jahrhundert weiter ausgebaut und erhält zahlreiche Türme.

Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
Spätes 12. Jahrhundert, schematische Rekonstruktion
Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
13. - 14. Jahrhundert, Duisburg im Mauerring

Am Ende des 13. Jahrhunderts hat das alte Duisburg seine größte Ausdehnung erreicht. Die Rheinverlagerung um 1000 führt aber zum Verlust der Wasserverbindungen im 14. Jahrhundert. Duisburg wird zu einer Ackerbürgerstadt und lebt von Handwerk und Landwirtschaft. Diesen Zustand zeigen der Stadtplan von 1566 und der Urkataster von 1823/25. Von 1655-1818 ist Duisburg preußische Universitätsstadt. Erst um 1820 wird das erste Haus außerhalb der Stadtmauern erbaut. Kurz danach beginnen Duisburger Kaufleute mit dem Bau von Kanälen zum Rhein und zur Ruhr und stellen so die alten Wasserverbindungen wieder her.

Eine neue Zeit beginnt, der Duisburg sein heutiges Gesicht verdankt. Bis nach dem 2. Weltkrieg hat sich das alte Stadtbild mit etwa 80% der Stadtmauer, zahlreichen alten Gebäuden, Straßenzügen und Gassen erhalten. Der Neuaufbau hat darauf aber wenig Rücksicht genommen, so dass das alte Duisburg fast ganz verschwunden ist. Manches ist noch im Boden, wie die Reste des mittelalterlichen Marktplatzes und der Markthalle.
Von der Stadtmauer steht noch etwa ein Drittel. Sie ist immer noch die älteste so gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauer im ganzen deutschen Sprachraum.

Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
Urkatasterplan von 1823 / 25, grundrissgleich mit Stadtplan von 1566

Der Alte Markt mit der archäologischen Zone

Oberhalb des Alten Marktes liegt der Burgplatz. Hier haben wohl schon in römischer Zeit steinerne Gebäude gestanden, als noch direkt unterhalb der Rhein floss. In fränkischer und karolingischer Zeit (5. bis 9. Jahrhundert) lag hier ein befestigter Königshof. Er wurde am Ende des 9. Jahrhunderts zu einer Königspfalz ausgebaut.
Duisburg und auch der Burgplatz haben von diesen ihre Namen. Der Königshof und die Pfalz wurden von königlichen Dienstleuten verwaltet. Sie hatten ihre Höfe in der Nähe und sorgten dafür, dass Duisburg zu einem regionalen Herrschafts- und Wirtschaftszentrum wurde. So ist das Wachsen der Handwerker- und Kaufleutesiedlung zu erklären: Aus kleineren Anfängen um den Burgplatz und Alten Markt herum nahm sie bereits in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts die ganze Rheinfront der später ummauerten Altstadt ein. Der Rhein floss damals unterhalb des Alten Marktes.

Die Uferzone diente als Hafengebiet. Hier trafen sich Wasser- und Landtransporte. Waren wurden aus- und umgeladen. Die ältesten Wohnhäuser waren aus Holz und Lehm. Nur Kirche, Pfalz und Adelshöfe wurden überwiegend aus Stein errichtet. Seit dem 12. Jahrhundert begannen aber auch die Einwohner Duisburgs steinerne Häuser zu bauen. Ihre Reste wurden beim U-Bahnbau in der Schwanenstraße und am Innenhafen gefunden. Damals entstanden die Wohnquartiere und Straßenzüge, die bis in die frühe Nachkriegszeit das Gesicht der Altstadt prägten.

Alter Markt mit Kirche
Ausschnitt aus dem Stadtplan des Johannes Corputius von 1566
Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
Grabungsbefunde am Alten Markt
Duisburg Stadtentwicklung im Mittelalter
Ausschnitt aus dem Stadtplan mit Grabungsbefunden

Übersicht archäologischer Zone Duisburg-Altstadt

Diusburg von oben
Bereich der ehemaligen ummauerten Duisburger Altstadt. 1: Dreigiebelhaus 16. Jahrhundert; 2: ehemalige Johanniterkommende von 1150/53; 2a: Kommendemauer 12. Jahrhundert; 3: Stadtmauer 12. Jahrhundert; 4: Stadtmauer 12.–13. Jahrhundert; 5: Stadtmauer 13. Jahrhundert; 6: Stadtmauerrest aus dem 13. Jahrhundert in der Tiefgarage am Innenhafen; 7: in den 1960er Jahren ergänztes und teilweise nachgebautes Stadtmauerstück; 8: Archäologische Zone Alter Markt; a: jüdisches Ehrenmal; b: Anne Frank-Denkmal; c: Standort der 1938 verbrannten Synagoge; d: Burgplatz; A–D: Mauerabschnitte mit Beispielen für den bereits 1996 eingetretenen Verfall der Stadtmauer. 2010 wurde die über 800 Jahre bestehende Untermauerstraße am Mauerabschnitt B überbaut und damit der historische Stadtgrundriss weiter zerstört.