Die Gesellschaft wird gegründet...

Dr. Rudolf Stampfuß Gründer der Niederrheinischen Gesellschaft
Prof. Dr. Rudolf Stampfuß 1904 - 1978

Gründer der Gesellschaft

Im Überblick

Am 16. November 1921 kamen in Hamborn 10 Herren zusammen, um über die Gründung eines Vereins zur “Wahrung der heimischen prähistorischen Funde” zu beraten. Damals entstand die “Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichtsforschung”, die unter dem Namen “Niederrheinische Gesellschaft für Vor – und Frühgeschichtsforschung Duisburg e. V.” am 16. November 1996 ihr 75 jähriges Gründungsjubiläum begangen hat. 

Ziele der Gesellschaft waren damals die wissenschaftliche Erforschung der vorgeschichtlichen Vergangenheit der Heimat. Die Ergebnisse der Forschung werden in einer Vereinssammlung untergebracht und der Allgemeinheit zugänglich gemacht”. Diese Ziele sind im Grunde bis heute gleichgeblieben.

1921

16. November. Gründung der Gesellschaft als „Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichtsforschung“ im Bürgerkeller Hamborn. Gründungsmitglieder u. a. Ferdinand Ahlfänger, Wilhelm Gumm und der 17-jährige Schüler Rudolf Stampfuß.

Ziele der Gesellschaft:

„Die wissenschaftliche Erforschung der vorgeschichtlichen Vergangenheit der Heimat. Die Ergebnisse der Forschungen werden in einer Vereinssammlung untergebracht und der Allgemeinheit zugänglich gemacht“. Sitz der Gesellschaft: Hamborn.

1925

Die Stadt Hamborn begründet ein städtisches Museum. Die umfangreichen, durch archäologische Grabungen gewonnenen Funde der Gesellschaft bilden als Dauerleihgabe den Kern des neuen Museums.

1928

Schon 1928 schenkte die Gesellschaft ihre reichhaltigen durch Mitglieder ausgegrabenen und konservierten Funde der Stadt Hamborn. Sie hatte schon 1925 ein städtisches Museum eingerichtet, dessen Hauptteil diese Funde als Leihgabe bildeten. “In dankbarer Anerkennung und Würdigung der bisher für das Museum aufgewendeten Mühen und finanziellen Opfer hat die Gesellschaft in ihrer Generalversammlung vom 26. November 1928 einstimmig beschlossen, ihre urgeschichtliche Sammlung dem städtischen Museum als Geschenk zu übereignen.

  1. Die Stadt übernimmt die pflegliche Behandlung und Aufstellung in geeigneten Räumen,
  2. die sofortige Schaffung der etatmäßigen Stelle eines haupamtlichen Leiters und Besetzung mit einem Fachprähistoriker,
  3. den weiteren Ausbau der prähistorischen Abteilung nach Maßgabe der für das Museum zur Verfügung gestellten Mittel.

Prof. Rudolf Stampfuß (1904 – 1978), bereits als 17 jähriger Schüler Mitbegründer der Gesellschaft, wurde nach Beendigung seines Studiums der Prähistorie und Promotion zum Dr. phil. als erster Fachprähistoriker des Rheinlands 1928 hauptamtlicher Leiter des Hamborner Museums. Zusammen mit der Gesellschaft baut er durch Fundbergungen und Ausgrabungen die archäologischen Sammlungen und die wissenschaftliche Fachbibliothek aus. Die Mitglieder stellen das Personal für die Grabungen und restaurieren die Funde.

1929

Nach dem Zusammenschluss von Duisburg und Hamborn zur Großstadt Duisburg-Hamborn übernimmt R. Stampfuß 1931 auch die Leitung des Duisburger Averdunkmuseums. Die archäologischen Sammlungen der Gesamtstadt werden in Hamborn zusammengeführt. Wegen knapper öffentlicher Mittel trägt die Gesellschaft auch weiterhin nicht nur die urgeschichtliche Abteilung des Museums und dessen umfangreiche Rettungsgrabungen weitgehend und stellt auch die Hilfskräfte dafür. In dem Heft der „Rheinischen Heimatpflege“ 1932 heißt es dazu: „Wegen der finanziellen Notlage der Stadt wurden alle Zuschüsse für das Museum gestrichen. Aber die nötigen Mittel wurden von den Mitgliedern der Gesellschaft aufgebracht.“

1930

Die Gesellschaft ändert ihren Namen in: „Gesellschaft für Niederrheinische Heimatforschung“ um nach dem Zusammenschluss von Duisburg und Hamborn die Vereinsarbeit auf eine breitere Basis zu stellen. Zweck der Gesellschaft: „Die Erforschung der niederrheinischen Heimat, insbesondere ihrer vor- und frühgeschichtlichen Vergangenheit.“

1931

Mit dem Zusammenschluss von Duisburg und Hamborn im Jahre 1929 wurden die heimatgeschichtlichen Sammlungen beider Städte unter R. Stampfuß zusammengeführt und 1931 die Schenkung der Gesellschaft auf die neue Gesamtstadt übertragen. Stadtverordnetenversammlung und Verwaltung nahmen sie dankend als grundlegend für das Museum an und sagten den Unterhalt und den Ausbau der Sammlung in enger Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zu.

Im Schreiben des Oberbürgermeisters vom 2. 7. 1931 heißt es dazu: Die Stadtverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung vom 15. Mai folgendes beschlossen: „Die schenkungsweise Übernahme der Sammlung der Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichtsforschung Hamborn (jetzt Gesellschaft für Niederrheinische Heimatforschung e. V.) in städtisches Eigentum wird mit dem Ausdruck des Dankes genehmigt mit der Maßgabe, dass die Verwaltung und der Ausbau der Sammlungen im Rahmen des jeweiligen Haushaltsplanes erfolgen. Den von der Stadtverordnetenversammlung ausgesprochenen Dank darf ich namens der Verwaltung noch besonders unterstreichen. 

Die Schenkung war für unser Museum grundlegend und wird für absehbare Zeit wohl der wichtigste Bestandteil bleiben. Auch wenn in den nächsten Jahren die Stadtverwaltung und somit auch das Museum finanziell sehr beengt ist, so wird auch in diesen schwierigen Jahren die weitere enge Zusammenarbeit mit ihnen von besonderer Bedeutung sein. Sobald die finanziellen Verhältnisse sich bessern, hoffe ich auch für die Museen auf eine Wiederverstärkung der Haushaltsmittel“. Mit einer Unterbrechung von 1935 – 1955 hat die Niederrheinische Gesellschaft, verbunden mit dem städtischen Museum (heute Kultur- u. Stadthistorisches Museum), Ihre Tätigkeit bis heute fortgesetzt. 

Mit Vorträgen, Führungen, Studienfahrten, wissenschaftlichen Veröffentlichungen, durch Beteiligungen an Ausgrabungen sowie durch Sammeln und Restaurieren von Bodenfunden wurde von ihren Mitgliedern ein bedeutender Beitrag zur Erforschung der Vor- und Frühgeschichte Duisburgs und des unteren Niederrheins erbracht und öffentlich gemacht. Er ist so Teil des Selbstverständnisses und der kulturellen Identität der Bürger geworden. Den von den Mitgliedern der Gesellschaft ganz wesentlich mitgetragenen stadtarchäologischen Grabungen in der Duisburger Altstadt (1989 – 1995), ihren Funden und Ergebnissen wird sogar nationaler Rang und internationale Bedeutung zuerkannt. Das Duisburger Museum selbst besitzt inzwischen die bedeutendsten Sammlungen zur Archäologie des unteren Niederrheins von frühen Anfängen der Menschheitsgeschichte bis ins Industriezeitalter.

10 jähriges Bestehen der Gesellschaft:

Feier desselben am 10. Dezember. Wegen seiner Verdienste um das Hamborner Museum wird der frühere Hamborner Oberbürgermeister Dr. Rosendahl, damals Oberbürgermeister von Koblenz, zum Ehrenmitglied der Gesellschaft ernannt. Zum Jubiläum erscheint eine wissenschaftliche Festschrift: Rudolf Stampfuß, Grabfunde im Dünengebiet des Kreises Rees (1931). 

Averdunkgesellschaft, der Verein für Heimatkunde und die Gesellschaft für Niederrheinische Heimatforschung Dbg. schließen sich zu einer Dachgesellschaft zusammen, um gemeinsam um Unterstützung bei der Stadt zu werben. Dieses bleibt weitgehend erfolglos. Es wird beklagt, dass für andere kulturelle Belange, auch für moderne Kunstausstellungen, erheblich mehr Mittel bereitgestellt werden.

1935

Im Februar heißt es in einem Rundschreiben der Gesellschaft: „Da durch die angespannte Tätigkeit vieler Vereinsmitglieder auf anderen Gebieten die Besuchsziffern zu den Veranstaltungen im letzten Jahr sehr zu wünschen übrig ließen, hat der Vorstand beschlossen, die Vereinsarbeit vorläufig ruhen zu lassen bis zu einem späteren günstigeren Zeitpunkt. Der für das Jahr 1934 geleistete Beitrag (M 1,50) wird zurückgezahlt und geht Ihnen in diesen Tagen durch Postanweisung zu“.

1938

Am 23. September wird zu einer außerordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft aufgerufen mit dem einzigen Tagesordnungspunkt „Auflösung des Vereins“. Nur noch 7 Mitglieder folgen dieser Aufforderung. Das Protokoll berichtet: „Die anwesenden Mitglieder beschlossen einstimmig die Auflösung des Vereins, da unter den augenblicklichen Umständen eine Neubelebung nicht mehr möglich erscheint.“ Das Angebot, dem nationalsozialistischen Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte beizutreten, wird nicht weiter verfolgt. Auch die übrigen Heimatvereine gehen ein.

1955

8. November. Wiederbegründung der 1921 gegründeten Gesellschaft als „Niederrheinische Gesellschaft für Heimatpflege“ im Café Bleckmann in Duisburg-Hamborn, Jägerstraße. Alle Zeitungen von Duisburg bis Dinslaken berichten ausführlich, die RP. Dbg. am 10. 11. 55 u. a.

Folgendes:

Oberingenieur Hartmann als maßgeblicher Initiator der neuen Gesellschaft sprach vor allem die Industrie an, die das Niederrheinische Land in einem Jahrhundert von Grund auf umgestaltete und daher verpflichtet sei, die Heimatpflege zu unterstützen. Es müsse alles getan werden, die Menschen dieses Raumes tiefer in die Heimat zu verwurzeln. Es traten sofort mehr als 50 Mitglieder, darunter namhafte und erfolgreiche Forscher auf dem Gebiet der Heimatkunde sowie einige Städte und Gemeinden, darunter die Stadt Duisburg, ortsansässige Industrieunternehmen bzw. Versorgungsbetriebe wie August-Thyssenhütte, Bergwerksgesellschaft Walsum, Hamborner Berbbau AG, Thyssensche Gas- und Wasserwerke der neuen Gesellschaft als korporative Mitglieder bei.

Zweck der Gesellschaft:

Die Gesellschaft erstrebt die Erforschung der niederrheinischen Heimat, der Landschaft, der Natur, der Geschichte, der Kultur, der Sprache, des Volkstums und der Wirtschaft. Sie führt die Arbeit der 1921 gegründeten ehemaligen Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichtsforschung (seit 1930 Gesellschaft für Niederrheinische Heimatforschung) fort. Die Gesellschaft hat darüber hinaus das Ziel, die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Forschungsarbeit für die Gegenwart nutzbar zu machen. Dieses Ziel sucht sie zu erreichen:

a) durch Zusammenschluss aller Freunde Niederrheinischer Heimatpflege,

b) durch Sammeln und wissenschaftliches Bearbeiten des Quellenmaterials,

c) durch Mitarbeit an der Heimatzeitschrift „der Niederrhein“,

d) durch Veröffentlichungen wissenschaftlicher Abhandlungen,

e) durch Veranstalten von Vorträgen und Wanderungen,

f) durch Anschluss an wissenschaftliche Fachverbände und die Förderung anderer der Heimatpflege dienender Einrichtungen,

g) durch Heranführen der Jugend an die Aufgaben der Heimatpflege.

Der erste Vorstand setzte sich wie folgt zusammen:
Der Joseph Roelen 1. Vorsitzender Dr. Günter von Roden stellv. Vorsitzender Prof. Dr. Rudolf Stampfuß stellv. Vorsitzender
Obering. Dipl. Ing. Georg Hartmann Schriftführer Amtmann Walter Gödde Schatzmeister

Am 18. 01. 1956

trat die Gesellschaft zum ersten Mal seit ihrer Neugründung im Handelshof in Hamborn mit dem Vortrag von Prof. Dr. Rudolf Stampfuß „August Thyssen und seine Bedeutung für die industrielle Erschließung des Niederrheins“ wieder in die Öffentlichkeit.

Die Mitgliederzahl stieg bis 1960 auf 122 an und beträgt heute 121.

1958

Obering. Dipl. Ing. Georg Hartmann übernimmt den Vorsitz der Gesellschaft, Johannes Rosenbaum wird Schriftführer und Hans Mogga Schatzmeister. Im Sommer 1958 erhält die Gesellschaft die Erlaubnis, in den Räumen der Zweigstelle der Stadtbücherei im Hamborner Stadtbad ihre Heimatbücherei unterzubringen, die später als Dauerleihgabe in die neu eingerichtete Zweigstelle der Stadtbücherei am Hamborner Altmarkt eingegliedert wird und der Bevölkerung zugänglich ist (1970 fast 400 Bände, inzwischen aufgelöst und z. T. dem städt. Museum zugeführt).

1965 – 1968

Jahresprogramm (Fahrten, Vorträge) gemeinsam mit der Mercatorgesellschaft und dem Niederrhein. Museum, da die berufliche Belastung des 1. und des 2. Vorsitzenden (Wahl zum technischen Direktor der Duisburger Stadtwerke bzw. Museumspfleger beim Land NRW) die organisatorische Arbeit in der Gesellschaft im bisherigem Maße nicht mehr zuließen. Die Zusammenarbeit gedieh außerordentlich gut, führte aber zu einem „manchmal beängstigenden Gedränge“ bei Fahrten, heißt es, so dass ab 1969 die Fahrten wieder in eigener Regie betrieben werden, ebenso die Jahreshauptversammlungen usw.

1970

Der Begründer der Gesellschaft, Prof. Dr. Rudolf Stampfuß, übernimmt nach seiner Pensionierung wieder den 1. Vorsitz. Direktor Dipl. Ing. Georg Hartmann und der neue Direktor des Niederrhein. Museums Duisburg Dr. Cornelius Ankel werden seine Stellvetreter. Stadtamtmann Hans Rosenbaum bleibt Schriftführer, Horst Hemmers wird Schatzmeister.

1971

Am Sonntag, dem 17. Oktober 1971 feiert die Gesellschaft ihr 50 jähriges Bestehen.

Festprogramm:

9.30: Abfahrt der Gäste des Vereins Linker Niederrhein mit Schiff in Uerdingen, Fahrt bis Schwanentor

11.00: Empfang des Oberbürgermeisters im Duisburger Hof. Duisburger Blockflötenquartett: Canzonette (G. Frescobaldi).

Begrüßung der Gäste durch Herrn Oberbürgermeister Arnold Masselter. Prof. Dr. R. Stampfuß, Festansprache: Heimatpflege Heute.
Duisburger Blockflötenquartett: 7 Flötentänze (H. U. Staeps).

13.00 – 15. 00: Mittagspause

15.00 – 17. 00: Führung (wahlweise) durch beide Museen und Besuch des Duisburger Zoos .

Treffpunkt zu den Führungen:

Um 15.00 Uhr am Eingang des Duisburger Zoos, des Wilhelm-Lehmbruck-Museums und des Niederrheinischen Museums. Zum 50jährigen Jubiläum wird mit finanzieller Unterstützung der Stadt Duisburg, des Landschaftsverbandes Rheinland und des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz eine Festschrift herausgebracht, die archäologische und naturwissenschaftliche Beiträge von 8 Fachgelehrten enthält: Rudolf Stampfuß (Herausg.), Ausgrabungen am Niederrhein – Der Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichtsforschung zum 50jährigen Jubiläum am 16. November 1971 (1974).
Nachdruck der von R. Stampfuß 1939, 1940 und 1943 publizierten und vergriffenen Quellenschriften zur westdeutschen Vor- und Frühgeschichte Bd. 1, 2 – 3 u. 5 und Übernahme derselben in den Schriftentausch des Museums.

Ich möchte hier einige Abschnitte aus dem Festvortrag von Rudolf Stampfuß zitieren, die auch noch heute ihre Gültigkeit haben: „Wenn wir in einer Feierstunde des Tages gedenken, an dem vor 50 Jahren die Niederrheinische Gesellschaft für Heimatpflege gegründet wurde, so soll das kein Rückblick werden, sondern das Aufzeigen des Standortes für die Gegenwart und der Blick auf die zukünftige Arbeit. Wir sind keine der Vergangenheit verhafteten romantischen Heimatfreunde. Wir schwärmen keineswegs für die gute alte Zeit, die beileibe nicht gut und schön, sondern eine Zeit härtester Fronarbeit des kleinen Mannes zum Fristen des nackten Daseins war. Wir fliehen nicht vor der Wirklichkeit in versponnene Träume. Wir suchen nicht Reste von Brauchtum und Mundart, die zum Aussterben verurteilt sind, mit allen Mitteln zu retten. 

Wir stehen fest in unserer Gegenwart, der wir ganz verhaftet sind. Wir erleben bewusst die technische Revolution, erkennen die Wandlungen der Gesellschaft und suchen, unsere Arbeit den Menschen dienstbar zu machen. Die sich ständig vollziehende Wandlung unserer Konsumgesellschaft lenkt unseren Blick schon auf die Zukunft hin, um vorausplanend den uns einmal gestellten Aufgaben gewachsen zu sein. 

Heimatpflege umfasst nach unserer Auffassung die Archivpflege, Bodendenkmalpflege und Denkmalpflege, Geschichte von der Vorzeit bis in die Gegenwart, Volkskunde, Natur- und Landschaftspflege, damit verbunden und in der Gegenwart in unserem Raum besonders aktuell: der Kampf gegen Umweltverschmutzung, Planung und Raumordnung und Museumspflege. Bei der Fülle der Aufgaben der Heimatpflege, die alle hochaktuelle Themen berühren, können nur einige Gebiete am Rande angesprochen werden. Eingangs muß ich noch herausstellen, daß das, was bei uns die öffentliche Hand – Staat und Kommunalverbände – für Heimatpflege tun, ein Tropfen auf den heißen Stein bedeutet. 

Auch unsere Politiker könnten aus den kulturellen Werten der Vergangenheit Impulse für die „Bewältigung unserer Gegenwart“ und für die geplante Zukunft erhalten und verhüten, daß unsere Gesellschaft schließlich nur noch dem Computer ausgeliefert wird“ (aus Rudolf Stampfuß, Heimatpflege heute. Festvortrag zum 50jährigen Jubiläum der Niederrheinischen Gesellschaft für Heimatpflege. Der Niederrhein. Zeitschr. 

Für Heimatpflege u. Wandern 39, 1972, 23 f.). Das Niederrheinische Museum der Stadt Duisburg widmete dem Jubiläum der Gesellschaft das zweite Heft seiner Jahresschrift 1971. Der Museumsdirektor Dr. Cornelius Ankel, gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der Niederrheinischen Gesellschaft, stellte es unter folgendes Motto: Verein und Museum – diese beiden Begriffe gehörten im 19., noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen. Viele Museen sind aus Sammlungen entstanden, die irgendwann aus privater Hand über einen Verein in öffentlichen Besitz gekommen sind. 

Auch das Niederrheinische Museum verdankt sein Bestehen letztlich dem Wirken von „Heimatvereinen“ – zu ihnen gehört die „Niederrheinische Gesellschaft für Heimatpflege“, die im Herbst dieses Jahres ihr 50jähriges Bestehen feiert. Der „Zwang zur runden Zahl“ vermag vielleicht das Wirken einer Gesellschaft, die heutzutage fern von den Zentren des Geschehens im Schatten wirkt, ein wenig näher zu bringen – aus diesem Grunde sei dieses Heft der Arbeit eines Vereins gewidmet, dem das Duisburger Museum den überwiegenden Teil seiner archäologischen Bestände verdankt, dem es – in Hamborn – von Anfang an verbunden war: der alten „Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichtsforschung“. (aus Niederrheinisches Museum Duisburg 1971, Heft 2, S. 1).

1972

Der Direktor des Niederrheinischen Museums Dr. Cornelius Ankel wird erster Vorsitzender der Niederrheinischen Gesellschaft. Prof. Dr. Rudolf Stampfuß und der wissenschaftliche Mitarbeiter des Museums Dr. Günter Krause werden seine Stellvertreter. Der neue Vorsitzende betont die enge Bindung der Gesellschaft zum Niederrheinischen Museum und verspricht eine Intensivierung des Programms (zahlreiche Fahrten und Vorträge).

Die Werbung für die Gesellschaft, besonders bei der jüngeren Generation, soll verstärkt werden. Unter den zahlreichen Besuchern des Museums werden viele junge Menschen erwartet, die sich für die Vor- und Frühgeschichte interessieren. Anschrift der Gesellschaft wie Veranstaltungsort für deren Vorträge wird wie in der Vorkriegszeit das städtische Museum (Niederrheinisches Museum) als Nachfolger des Hamborner Museums.

1973

Jahreshauptversammlung am 1. März im Niederrhein. Museum Duisburg. Die Gesellschaft ändert ihren Namen und Sitz.

Auszug aus dem Sitzungsprotokoll:

„Zum Punkt „Verschiedenes“ der Tagesordnung wurden von Seiten der Mitglieder keine Anträge, Anregungen usw. vorgebracht. Der erste Vorsitzende (Dr. C. Ankel) führte daraufhin aus, dass er bereits in der vorjährigen Jahreshauptversammlung empfohlen habe, den Namen unserer Gesellschaft und auch den Sitz zu ändern. Dabei müsse man sich von der Tatsache leiten lassen, dass in Duisburg zwei Vereinigungen bestehen, die sich der Heimatpflege verschrieben haben, nämlich unsere Gesellschaft und die Mercator-Gesellschaft. 

Andererseits soll in unserer Gesellschaft mehr Gewicht auf die Vor- und Frühgeschichte gelegt werden. Es liegt deshalb nahe, den Namen unserer Gesellschaft in „Niederrheinische Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichtsforschung e.V. zu ändern. Hinsichtlich der Änderung des Sitzes muss gesagt werden, dass sich unsere Gesellschaft von Anfang an nicht auf Hamborn beschränken, sondern den ganzen Niederrhein umfassen sollte, wie es der Name „Niederrheinische Gesellschaft“ schon sagt. 

Weiter darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Anschrift unserer Gesellschaft schon seit geraumer Zeit „Duisburg, Friedrich-Wilhelm-Str. 64 (Niederrheinisches Museum)“ lautet. Herr Dr. Ankel stellte anschließend den Antrag, den Namen unserer Gesellschaft in „Niederrheinische Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichtsforschung“ sowie den Sitz in „Duisburg“ zu ändern und über diesen Antrag abzustimmen“. Der Antrag wurde von den Anwesenden mit überwältigender Mehrheit angenommen.

Neuer Name und Sitz

Der Verein führt den Namen „Niederrheinische Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichtsforschung e. V. Der Sitz des Vereins ist Duisburg. Der Verein setzt die Arbeit der 1921 gegründeten „Gesellschaft für Niederrheinische Vorgeschichte“ und deren Nachfolgerin, der „Niederrheinischen Gesellschaft für Heimatpflege e. V.“ fort.

Zweck

Die Niederrheinische Gesellschaft erstrebt die Erforschung der Geschichte, der Kultur, der Sprache, der Landschaft, der Bevölkerung und der Wirtschaft, insbesondere der Vor- und Frühgeschichte der Stadt Duisburg und des gesamten Niederrheins. Diese Aufgaben sucht sie zu erfüllen,
a) durch Veranstalten von Vorträgen und Besichtigungen,

b) durch Veröffentlichung wissenschaftl. Abhandlungen,

c) durch Mitarbeit an Heimatzeitschriften,

d) durch Heranführen der Jugend an die Aufgaben der Heimatpflege,

e) durch Beteiligung an Ausgrabungen sowie durch Sammlung und Restaurierung von Bodenfunden in Zusammenarbeit mit dem Niederrheinischen Museum der Stadt Duisburg (seit 1990 Kultur- und Stadthistorisches Museum).

1974

Rücktritt des 1. Vorsitzenden Museumsdirektor Dr. C. Ankel wegen Überlastung in seinem Amtsbereich. Prof. Dr. R. Stampfuß übernimmt wieder den Vorsitz der Gesellschaft.

1976

Amtsgerichtsrat Wilhelm Guldner, wohl einer der wenigen lebenden Mitglieder, die noch mit Rudolf Stampfuß zusammen ausgegraben haben, wird Vorsitzender der Niederrheinischen Gesellschaft. Er ist heute mit seiner Gattin in unserer Mitte.

Gründung einer archäologischen Arbeitsgemeinschaft der Gesellschaft mit jüngeren neuen Mitgliedern, die bis heute besteht. Sie werden in Seminaren von Prof. Dr. R. Stampfuß und Dr. G. Krause in die heimische Vor- und Frühgeschichte und die praktische archäologische Arbeit eingeführt. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft beginnen in Zusammenarbeit mit dem Niederrheinischen Museum (Dr. G. Krause) eine umfangreiche praktische archäologische Tätigkeit (Begehungen, Fundbergungen, Ausgrabungen, Sammeln und Restaurieren von archäologischem Fundgut für das Museum, Anfertigung wissenschaftlicher Fundzeichnungen und Pläne, Beteiligung an wissenschaftlichen u. allgemeinverständlichen Veröffentlichungen usw.), schließen somit an die Arbeit der Gesellschaft in den 20er und dreißiger Jahren an. 

Diese fast 20jährige Tätigkeit erlangt internationale Bedeutung und bereichert vor allem das Wissen um Duisburg und seine Vergangenheit in bis dahin ungeahnter Weise. Daneben beginnt die Arbeitsgemeinschaft unter Anleitung von Dr. G. Krause damit, zahlreiche Altfunde aus der Vorkriegszeit, die in den Kriegswirren und den zahlreichen Umzügen der Nachkriegszeit stark gelitten hatten, neu zu identifizieren und zu erfassen, im Kriege verlorene Fundkarteien zu erneuern und verlorene Fundberichte zu ersetzen und diese Funde für eine Publikation zu bearbeiten. Die Kenntnisse von R. Stampfuß sind dabei von großer Wichtigkeit.

1977 ff.

Ausgrabungen und Fundbergungen in Moers-Asberg (römische Lager und Zivilsiedlung), Ausgrabungen in Duisburg an der Monning, am Forsthausweg (Bronze- u. Eisenzeit), in Düsseldorf-Mönchenwerth (Rheinaak des 19. Jahrh.), Duisburg-Kaiserberg (späteiszeitl. Rentierjäger, Jungsteinzeit, Eisenzeit, römische Kaiserzeit), Begehungen und Fundbergungen im Duisburger Süden, in Duisburg-West, am linken unteren Niederrhein usw.

1978

Dr. Günter Krause, stellvertr. Direktor des Niederrhein Museums übernimmt den Vorsitz der Gesellschaft. An seine Seite treten neue jüngere Mitglieder.

Am 18. Dezember 1978 stirbt im Alter von 74 Jahren Prof. Dr. Rudolf Stampfuß, der Nestor der niederrheinischen Ur- und Frühgeschichtsforschung, Begründer und bedeutendstes Mitglied der Niederrheinischen Gesellschaft über fast 60 Jahre. Die Gesellschaft stellte ihm in dieser Zeit seine wichtigsten Helfer und Mittel für die gemeinsame Arbeit. Die im Laufe seines Lebens mit diesen zusammengetragenen und gesicherten Zeugnisse der Vergangenheit des Niederrheins von frühen Anfängen der Menschheitsgeschichte bis ins Industriezeitalter bilden den Grundstock mehrerer Museen am Niederrhein. 

Besonders das Duisburger Museum (heute Kultur- und Stadthistorisches Museum) hat er zum bedeutendsten archäologischen Museum der Region gemacht und auch das Museum der Deutschen Binnnenschiffahrt in Duisburg – Ruhrort mit wichtigen Sammlungsstücken ausgestattet. Seinem Beispiel und seiner Nachfolge fühlt sich die Gesellschaft bis heute verpflichtet. Zur Würdigung seines Andenkens und seines Lebenswerkes hat die Gesellschaft eine Gedenkschrift mit wissenschaftlichen Beiträgen von 12 Fachgelehrten und einer Bibliographie von R. Stampfuß herausgebracht: Günter Krause (Herausg.), Vor- und Frühgeschichte des unteren Niederrheins – Rudolf Stampfuß zum Gedächtnis (1982).

Folgen wir noch ein weiteres Mal Rudolf Stampfuß’ Worten aus seinem Festvortrag zum 50 jährigen Jubiläum:

Im Jahre 1919 wurde ich durch den Besuch der prähistorischen Staatssammlung in Berlin angeregt, mich der Vorgeschichte zuzuwenden. 1920 begann ich mit dem Sammeln von vorgeschichtlichen Funden. Der Katalog meiner Sammlung wurde am 25. September 1920 angelegt. Im gleichen Jahre wurde ich Mitglied der Kölner Anthropologischen Gesellschaft und fand einen engen Kontakt zu Museumsdirektor Carl Rademacher. Durch ihn wurde ich mit den Ausgrabungstechniken jener Zeit vertraut gemacht. Die Lektüre von Averdunks Chronik der Stadt Duisburg lenkte mich auf das große Hügelgräberfeld in der Wedau hin. Mit meinem väterlichen Freunde Wilhelm Gumm erwanderte ich das Gebiet des ehemaligen Gräberfeldes und lernte das Heimatmuseum Duisburg im Dachgeschoss des Rathauses kennen. 

Am 3. März 1921 führte ich auf dem Hügelgräberfeld Testerberge meine erste eigene Ausgrabung durch und konnte bemerkenswerte Fundstücke bergen. Im Juni 1921 erhielt ich Kunde vom Hügelgräberfeld im Diersfordter Wald und legte dort am 9. Juli das erste Grab frei. Nun wurde mit Jugend- und älteren Freunden die systematische Grabung auf diesem Felde begonnen und bis 1930 fortgeführt. 

Es hatte sich bis in die 20er Jahre hinein in der Vorgeschichtsforschung am unteren Niederrhein nur wenig ereignet. Das Rheinland stand ganz im Banne der Kulturhinterlassenschaften der römischen Besatzungsmacht. Besonders empfindlich betroffen war der untere Niederrhein, wo das Rheinische Provinzialmuseum durch seine übergroßen Aufgaben auf dem Gebiet der provinzialrömischen Forschung einfach nicht mehr in der Lage war, sich weiterer Aufgaben anzunehmen. 

Die wenigen, zwar dilettantisch, aber doch tätigen Altertumsvereine wurden nach dem ersten Weltkrieg durch das Ausgrabungsgesetz in ihrer Arbeit behindert und stellten ihre Tätigkeit ein. In dieser Situation wollte die Gesellschaft eine Forschungslücke schließen. Wenn wir das Ergebnis dieser Bemühungen betrachten, dann ist es beachtlich. Aus der selbstlosen, privaten Initiative ist schließlich das bedeutendste Museum für Vorgeschichte am unteren Niederrhein entstanden, das Niederrheinische Museum in Duisburg. Dank gebührt hierfür allen alten Mitarbeitern, die sich für die Aufgaben zur Verfügung stellten. Es waren meist Lehrer, die dabei aktiv tätig wurden. Heute wäre ein solches Werk nicht mehr zu vollbringen“ (Der Niederrhein 39, 1972, 22).

Rudolf Stampfuß konnte in seinen letzten Jahren noch erleben, daß diese doch recht pessimistischen Worte „heute wäre ein solches Werk nicht mehr zu vollbringen“ sich glücklicherweise nicht bewahrheitet haben. Aus der Arbeitsgemeinschaft von 1976 erwuchs eine neue Blüte der wissenschaftlichen Arbeit der Gesellschaft. Dieses geschah unter den ganz anderen und schwierigen Bedingungen von Großbaustellen in einer pulsierenden Großstadt, unter denen sich archäologische Arbeit in unserer Zeit ganz überwiegend abspielt.

1980 – 1995

Intensive Beteiligung an den Ausgrabungen und Fundbergungen des Duisburger Museums in der Duisburger Altstadt, die auf bes. Wunsch des Rates der Stadt Duisburg erfolgen. Grabungen auf dem Alten Markt 1980-1990, Grabungen und Fundbergungen beim Neubau des Kaufhauses C&A und am Innenhafen 1983-1984, beim Stadtbahnbau in der Schwanenstraße 1985-1987, an der mittelalterlichen Stadtmauer (seit 1985) an der Beekstraße, beim Bau des Kaufhauses Galeria, an der Niederstraße und vielen anderen Stellen der Duisburger Altstadt. Grabungen und Fundbergungen im Duisburger Süden 1991-1994. Die Mitglieder Gesellschaft und andere bürgerschaftliche Helfer und Laienforscher (z.B. die Brüder Horst und Kurt Hofius) wurden wie schon vor dem Kriege zum wichtigsten Kontinuitätsfaktor bei dieser Arbeit, da wie damals ständiges Museumspersonal dafür fehlte. So haben sie ganz wesentlichen Anteil an wichtigen Entdeckungen in der Duisburger Altstadt und anderen Plätzen. 

Nur ihnen ist es zu verdanken, dass bedeutende Grabungsbefunde und -funde gesichert und dokumentiert und häufig schon nach Tagen oder Wochen inventarisiert, restauriert und gezeichnet waren, so dass sie in öffentlichen Führungen, in Vorträgen, Ausstellungen in Duisburg, Deutschland und Europa und in wichtigen lokalen, nationalen und internationalen Publikationen vorgestellt werden konnten. Die archäologischen Entdeckungen in der Duisburger Altstadt haben zu einem neuen bürgerschaftlichen Bewusstsein beigetragen, das auch im Willen der Politik zum Ausdruck kam, das neue Duisburg nicht mehr anstelle des alten, sondern auf dem alten aufzubauen. 

Ausdruck dieser Haltung war die Einrichtung der archäologischen Zone Alter Markt und das neue Kultur- und Stadthistorische Museum (so der neue Name des Niederheinischen Museums in neuen größeren und besser geeigneten Gebäuden) mit der modernsten archäologischen Restaurierungswerkstatt der Region an der freigestellten und sorgfältig restaurierten Stadtmauer am Innenhafen. Es sollte den Zeugnissen von Duisburgs Vergangenheit den ihnen gebührenden größeren Platz einräumen. Der Deutsche Archäologenkongress des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumskunde im September 1990 bereits im neuen Museum abgehalten, gab Gelegenheit die neuen Erkenntnisse der Fachwelt vorzustellen.

Die Verleihung des „Duisburger Bürger-Ehren-Wappens“ an den Vorsitzenden der Gesellschaft „als sichtbares Zeichen der Anerkennung und des Dankes für nach unserer Auffassung wertvolle, langjährige Verdienste um das Wohl und Ansehen der Stadt Duisburg und ihrer Bürger“ im Oktober 1990 durch die Duisburger Bürgervereine e. V. ist ein Ausdruck dieses neuen Selbstverständnisses und ein Dank auch an die zahlreichen Mitarbeiter aus den Reihen der Gesellschaft, die diese Arbeit maßgeblich mitgetragen haben und ohne deren idealistischen Einsatz sie nicht zustande gekommen wäre. 

Es ist wie mit einem Eisberg. Nur seine Spitze ist zu sehen, die restlichen 90%, die die Spitze tragen, bleiben unsichtbar. Sich trotzdem in so hohem Maße zu engagieren ist wahrer Idealismus! Ich möchte einige Worte des damaligen Vorsitzenden der Duisburger Bürgervereine Hans-Georg Michael zur Verleihung des „Duisburger Bürger-Ehrenwappens“ zitieren; dieses nicht zum Eigenlob, denn sie gelten gerade auch für die vielen nicht im Rampenlicht stehenden: „Nach beendetem Studium fand er 1971, also damals als 29jähriger, in Duisburg, als städtischer Archäologe eine erste Anfangsstellung. 

Dieser Beruf – und die Stadt Duisburg ebenso – ließen ihn seitdem nicht mehr los. Mittlerweile seit 19 Jahren in Duisburg tätig (heute sind es über 25 Jahre) hat er sich inzwischen zu einem „Oberkustos des Niederrheinischen Museums“ heraufgearbeitet und wurde als solcher inzwischen zum verantwortlichen Leiter des gesamten Duisburger Ausgrabungswesens berufen. In dieser Funktion gilt er unbestritten als eine bundesdeutsche Kapazität und als Experte der europäischen frühgeschichtlichen Forschung. Dieser Ruf kam keineswegs von ungefähr. Vielmehr musste er Steinchen um Steinchen – oder besser gesagt Schüppe um Schüppe – in einem über 20jährigen Berufsleben und in vieler Herren Länder erarbeitet werden“…. Es heißt weiter am Schluss: Kurz: „Ein Vorbild für die Jugend, dem Pflichterfüllung und Liebe zum Beruf über alles geht – ebenso ein richtiger Altertumsforscher – im wahrsten Sinne vom Scheitel bis zur Sohle.“ Diese Tugenden waren auch die Tugenden von Rudolf Stampfuß und seiner Ausgrabungsfreunde und deren Nachfolger, die mit mir gewachsen sind. Ich möchte hier nur ganz wenige stellvertretend für viele erwähnen:

Peter Müller, ganz plötzlich im Alter von 54 Jahren im Oktober 1995 verstorben, hätte sicher die gleiche Auszeichnung und mehr verdient. Ich zitiere aus dem Nachruf der Gesellschaft für Peter Müller: „Am 15. Oktober 1995 starb plötzlich und völlig unerwartet Herr Peter Müller im Alter von gerade 54 Jahren. Neben seinem Beruf als Gymnasiallehrer, den er in vorbildlicher Weise ausfüllte, hat er über mehrere Jahrzehnte seine ganze verbleibende Kraft der heimischen Archäologie gewidmet. Er setzte damit eine große, 150 Jahre zurückreichende Tradition der Duisburger Lehrerschaft fort. Seine akademische Ausbildung als Altphilologe und Historiker sowie in der Archäologie und Kunstgeschichte waren die besten Voraussetzungen dafür. 

Durch seine langjährige archäologische Tätigkeit hat sich Herr Müller weit über Duisburgs Grenzen hinaus hohes Ansehen als Ausgräber und Kenner der rheinischen Archäologie und besonders der Keramik des Mittelalters und der Neuzeit erworben. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten wären ohne seine Tätigkeit undenkbar, viele Ausstellungen sind mit dem von ihm ausgegrabenen und restaurierten Material nicht nur in Duisburg, sondern auch in anderen Teilen Deutschlands und Europas gezeigt worden. Ohne Peter Müllers Einsatz hätte die Duisburger Stadtarchäologie niemals ihren hohen, international bedeutsamen Rang erreichen können!

In der Niederrheinischen Gesellschaft für Vor- Frühgeschichtsforschung, in enger Zusammenarbeit mit dem städtischen Museum, hatte Herr Müller für viele Jahre den Rahmen seiner Tätigkeit gefunden, sowohl im Vorstand der Gesellschaft als auch in der archäologischen Arbeitsgemeinschaft und in der Weitergabe seiner Kenntnisse an Fachkollegen, Studenten, Schüler und eine große Öffentlichkeit. Überall dort, wohin rheinische Funde des Mittelalters und der Neuzeit gelangt sind und die große kulturelle Bedeutung unserer Region sichtbar machen, hat der Name Duisburgs, auch besonders durch seine Tätigkeit einen guten Klang gewonnen. 

Peter Müller hat sich um die Archäologie und Geschichte Duisburgs verdient gemacht.“ Von ganz anderer Art, aber nicht weniger bedeutend ist der Beitrag von Georg Hartmann, dem jüngst verstorbenen früheren technischen Direktor der Stadtwerke Duisburg, über 12 Jahre Vorsitzender der Gesellschaft, davor ihr Schriftführer und danach stellvertretender Vorsitzender. 

Mehr als ein Dutzend Jahre war seine Anschrift die der Gesellschaft. Er hat sich nicht nur in seinem persönlichen Engagement im hohen Maße für die Ziele der Gesellschaft eingesetzt, sondern seit 1955 auch seine Mitarbeiter dafür begeistert, die sich ebenfalls über Jahrzehnte in der Gesellschaft engagiert haben. Ich möchte nur die Namen der Herren Thurau, Hemmers und Mogga nennen und letzteren mit seiner Gattin hier noch einmal recht herzlich begrüßen. 

Die Liebe zur Vergangenheit seiner niederrheinischen Heimat hat sich von Georg Hartmann auch auf die von ihm geführten Stadtwerke übertragen. Ein Leitungsgraben der Stadtwerke 1980 über Burgplatz und Alten Markt stand am Anfang der Stadtarchäologie und führte zur Entdeckung des frühen Duisburg. Ohne das Verständnis und die tätige Unterstützung der Stadtwerke über viele Jahre wäre es niemals in Duisburg zu einer Stadtarchäologie gekommen, die diese Bedeutung erlangte. Nur noch an Sie, liebe Frau Gertraud Hartmann und ihre Kinder, die sicher häufig auf Gatten und Vater verzichtet haben, können wir unseren Dank weitergeben.

Einen dritten möchte ich noch stellvertretend nennen und ehrend erwähnen. Es ist Paul Robert Mismahl, der jüngst verstorbene Vorsitzende des Gesamtverbandes der Duisburger Bürgervereine. Er hat zwar niemals unserer Gesellschaft angehört, deren Arbeit aber in guten und schlechten Zeiten unterstützt und mitgetragen, sowohl als Beteiligter an Ausgrabungen mit seiner Lebensgefährtin, die heute unter uns weilt, als auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Bürgervereine die Belange von Duisburgs archäologischem Kulturerbe vertreten. Darüber hinaus hat er sich große Verdienste um das Museum der Deutschen Binnenschiffahrt und um die Geschichte der Binnenschifffahrt erworben.

Alle drei waren auf ihre Weise vorbildhaft. Menschen ihres Formats und ihres Engagements sind ein Glücksfall. Sie fehlen uns sehr. Laßt uns nun für einen Augenblick verweilen und all derer gedenken, die uns und unserem Bemühen und Zielen nahe standen. Es hat den Anschein als wäre mit diesen Menschen eine Ära zu Ende gegangen. Der Erfolg der 20er Jahre hat sich am Ende nicht wiederholt. Wurden die Mitglieder und Gäste der Gesellschaft beim 50jährigen Jubiläum vom damaligen Duisburger Oberbürgermeister Arnold Masselter empfangen, der in einer eigenen Ansprache das Wirken der Gesellschaft für die Stadt und die Region würdigte, so stehen wir heute fast allein. Ich glaube aber, dass trotz aller Veränderungen die Worte Arnold Masselters ihre Gültigkeit nicht verloren haben, aus denen ich hier zitieren möchte: ( gedruckte Redeauszüge, Der Niederrhein 39, 1972, S. 26): „Ohne lebendige, intakte Verbindung zur Vergangenheit hat die Gegenwart keine Zukunft. 

Dieses Wort könnte als Präambel über dem Katalog der Aufgaben der Niederrheinischen Gesellschaft für Heimatpflege stehen. In der Niederrheinischen Gesellschaft für Heimatpflege haben sich Menschen zusammengefunden, die sich einer lebendigen Verbindung zur Vergangenheit verpflichtet wissen, die mit Kopf und Herz, mit viel Idealismus aktive Heimatpflege und Heimatforschung betreiben und sich mit besonderer Aufmerksamkeit der Vorgeschichte am Niederrhein widmen. Dem selbstlosen Einsatz, dem uneigennützigen, verdienstvollen Wirken der Vereinsmitglieder haben wir zahlreiche Fundstücke zu verdanken, viele Mosaiksteinchen von starker Aussagekraft, die ein gutes Bild der niederrheinischen Landschaft in vorgeschichtlicher Zeit vermitteln. 

Heute hat die Sammlung in unserem Niederrheinischen Museum ihren Platz gefunden und wird hier von vielen interessierten Besuchern, insbesondere auch von jungen Menschen, bewundert, von Menschen die eine Verbindung zur Vergangenheit suchen. Viele Erscheinungen in unserem Leben lassen sich besser erklären und verstehen, wenn man ihren geschichtlichen Inhalt und Hintergrund kennt und wenn man zu den Wurzeln des gewordenen vordringt. Für das Fortbestehen unserer Kultur ist es notwendig, dass die Verbindung zur Vergangenheit erhalten bleibt, die Sie ja alle so liebevoll pflegen.“

Wie sie vermutlich wissen, bin ich inzwischen nicht mehr Stadtarchäologe noch stellvertretender Direktor des Kultur- u. Stadthistorischen Museums. Die Funde und Unterlagen der Stadtarchäologie werden nicht mehr vom Museum betreut und sind vom Verfall bedroht. Die bisherige archäologische Arbeit wurde als Lustgrabungen, für die es kein Geld gäbe, diffamiert. Seit 1921 hat niemand der Mitglieder und auch nicht der Vortragende einen einzigen materiellen Vorteil aus der Arbeit der Gesellschaft gezogen.

Die Freiwilligen der Gesellschaft werden durch von der Stadtverwaltung vorgeschobene selbsternannte „Profis“ der Archäologie als „Leute mit rein privaten Passionen“ angegriffen, deren einzige Qualifikation darin bestände, mit mir an Wochenenden in Löchern sich herumzutreiben (siehe anlieg. Zeitungsausschnitte). Es ist bezeichnend, dass diese neuen Profis, die vor allem im Auftrage der Stadt tätig werden, keine Qualifikation in der Archäologie haben, sondern wirtschaftliche Interessen verfolgen. Seit kurzem ist es nämlich möglich, Ausgrabungen als Privatunternehmer für gutes Geld anzubieten, da solche nicht mehr allein als Staatsaufgabe gelten. Die kostenlosen Freiwilligen, die die alte Duisburger Stadtarchäologie konkurrenzlos billig und wissenschaftlich so erfolgreich gemacht haben, müssen dann als geschäftsschädigende Konkurrenz ausgeschaltet werden.

Das Museum selbst hat sich von den archäologischen Ausgrabungen entbinden lassen, die seit Jahrzehnten zu seinen Hauptaufgaben gehörten ( alle vier dort bis 1990 fest angestellten Wissenschaftler waren Archäologen). Es soll ganz überwiegend den Strukturwandel begleiten, also Propaganda für die Ziele der Lebenden machen und nicht mehr zuerst die Zeugnisse der Vergangenheit betreuen und öffentlich machen. Eine neue wissenschaftliche Mitarbeiterin, inzwischen meine Nachfolgerin, hat schon 1993 die neuen Ziele in der WAZ Duisburg dargestellt (siehe Anlage): „mit meiner Einstellung wollte man auch ein Gegengewicht zur archäologischen Tradition des Museums setzen, Museen sollten keine Hochburgen der staubigen Wissenschaft sein“ Ihr neuestes Vorhaben: „Schimanski seine Jacke abzuschwatzen.“ 

Kurzum, die Ziele der Gesellschaft scheinen mit meinen dienstlichen Verpflichtungen bei der Stadt und der gewünschten Entwicklung derselben und dem vorherrschenden Glauben an die Käuflichkeit und Verkäuflichkeit aller Dinge nur noch schwerlich vereinbar zu sein. Der Aufruf unseres Schriftführers an die Mitglieder der Gesellschaft im letzten Jahr, die mangelnde Betreuung der international bedeutenden stadtarchäologischen Sammlungen aus der Aktivität des Museums seit 1980 durch tätiges Engagement mit auszugleichen, war der Anlass für den Museumsdirektor, seinen Austritt aus der Gesellschaft zu erklären, da er dieses nicht so sieht. Die Stadt Duisburg soll ähnliche Schritte überlegen.

In seinem Austrittsschreiben vom 17. 8. 1995 (voller Wortlaut siehe Anlage) steht u. a. folgendes: „Es wird ihnen sicherlich nicht entgangen sein, dass ihr 1. Vorsitzender, Herr Dr. Krause, schon seit längerer Zeit nicht mehr als Mitarbeiter dem Kultur- und Stadthistorischem Museum angehört. Zwischenzeitlich ist ihm auch ein Arbeitsplatz im Rathaus zugewiesen worden. Ein Zusammenhang zwischen dem Museum und ihrem 1. Vorsitzenden ist somit nicht mehr gegeben. Als Leiter des Kultur- und Stadthistorischen Museums lege ich deshalb großen Wert darauf, dass künftig der Name der Niederrheinischen Gesellschaft nicht mehr mit der Museumsadresse in einen Zusammenhang gebracht wird.“

Damit ist die Gesellschaft, nicht nur was die Funde und Ergebnisse der jüngsten Phase ihrer Aktivität in Zusammenarbeit mit dem Museum betrifft, praktisch auf die Zeit vor 1925 zurückgeworfen, als es noch keine öffentlich zugängliche Vereinssammlung und noch kein Heimatmuseum Hamborn gab.

Diese Entwicklung hängt mit dem neuen Bild und Entwicklungskonzept von Duisburg zusammen, das Politik und Wirtschaft jüngst entworfen haben. Als Symbol dafür steht die Skulptur „Rheinorange“, die man von hier, wenn man aus dem Fenster guckt, sehen kann. Sie wird 1992 folgendermaßen in einem Prospekt beschrieben: „Die Duisburger Wirtschaft bekennt Farbe: Zeichen setzen. Farbe bekennen. Ein Symbol mit Ausstrahlungskraft, weit in das kommende Jahrtausend hinein entsteht nicht von selbst usw. Köln hat seinen Dom, Koblenz hat das deutsche Eck. Die Freiheitsstatue von New York, die Oper von Sydney tragen zur Unverwechselbarkeit dieser Städte bei.

Duisburg hat sich am Rhein als Industrielandschaft präsentiert. Es gibt keinen Grund das zu beklagen. Doch zu dieser Industriekulisse brauchen wir den neuen künstlerischen Akzent. Dort, wo die Ruhr in den Rhein mündet, wird die Skulptur „Rheinorange“ stehen. Bürger und Unternehmer bauen sich hier ein Stück Zukunft“ usw. An anderer Stelle heißt es dort: „Rheinorange ist vor allem dies: ein weithin sichtbares „Zeichen“, das die Bedeutung des Ortes markiert (Einmündung der Ruhr in den Rhein als Grundlage der Stadtgeschichte Duisburgs) usw.

Weiter heißt es: „Rheinorange ist ein über Monate aus persönlichem Stadterlebnis entwickeltes leuchtendes Bekenntnis für den Standort und für die Hafen-, Stahl- und Skulpturenstadt Duisburg. Die Wirtschaftsjunioren teilen durch ihr Engagement für dieses Kunstwerk in vorbildlicher Kooperation mit zahlreichen Firmen, Rat und Verwaltung dieser Stadt dieses Bekenntnis und begreifen es darüber hinaus als Zeichen des Aufschwungs in einem ebenso notwendigen wie vehementen Strukturwandel.“ 

Soweit der Direktor des Städtischen Kunstmuseums. Wenn man weiß, daß „Rheinorange“ an der künstlichen Industriemündung der Ruhr in den Rhein vom Ende des letzten Jahrhunderts auf dem Moerser Grinden steht, der bis 1805 rechtsrheinischer Teil der Grafschaft Moers war (durch den Rheindurchbruch bei Duisburg vom linken Ufer abgeschnitten), und erst 1905 mit Ruhrort eingemeindet wurde, und daß der historische Rhein und die historische Ruhrmündung vor den Toren der Altstadt von Duisburg liegen (was jedes Kind in Duisburg in der Schule lernt), letztere wird gerade ohne Rücksicht auf das Ortsbild zu einer Grachtenlandschaft umgebaut, kann man dieses Bekenntnis so nicht teilen.

Die Grundlagen der Stadtgeschichte Duisburgs, die vor rund 2000 Jahren begann, liegen vor den Mauern der Altstadt und auch die Grundlagen für die Duisburger Industrielandschaft wurden hier gelegt, denn der Aufschwung im 19. Jahrhundert begann mit der Anknüpfung an die große Zeit Duisburgs im Mittelalter durch die Wiederherstellung der alten Wasserverbindungen in den ausgetrockneten Betten von Rhein und Ruhr vor der Stadt. Geschichte kann nicht nur die Geschichte der herrschenden Institutionen des Industriezeitalters sein und deren Selbstverständnis spiegeln. Das wäre nur noch Propaganda. Dieses entgegen der offiziellen Meinung weiterhin zu behaupten, ein Gebot der Wahrhaftigkeit, könnte womöglich für einen städtischen Mitarbeiter als unzulässige Ungehörigkeit angesehen werden, sogar von Geschäftsschädigung soll die Rede gewesen sein. Wo bleibt die Verantwortung der Industrie für die Niederrheinische Landschaft, die Georg Hartmann bereits 1955 einforderte und auch die der Politik, die die Voraussetzungen für deren Umgestaltung geschaffen hat?

Hierauf möchte ich zum letzten Male mit dem Worten unseres Gründers Rudolf Stampfuß aus seinem Vortrag zum Jubiläum von 1971 antworten: „Wir dürfen aber nach all den Erfahrungen, die wir in den verflossenen zehn Jahren gemacht haben, nicht resignieren und unsere Betätigung in der Heimatpflege als privates Hobby allein weiterführen, bis wir nicht mehr können.

Wir dürfen trotz der zunehmenden Staatsverdrossenheit und trotz des Versagens unserer Kulturpolitiker die Flinte nicht ins Korn werfen. Wir sind nun einmal in unserer Gesellschaft nur eine kleine Gruppe, keine Massenbewegung, die den Politikern Stimmen bei der Wahl bringen könnte. Aber ist unsere Arbeit, die sich nicht mit großem Geräusch, sondern vielfach als Forschungsaufgabe in der Stille vollzieht, deshalb wertlos, weil es sich nur um eine Bildungsaufgabe handelt, um deren Durchführung sich der Staat drückt? In unserer Demokratie ist es leider heute so, wie ich jüngst in der Presse las, daß der Protest vernünftig denkender Menschen heute nur dann ernst genommen wird, wenn er auf die Straße getragen wird. 

Nun gut, werden wir aktiv, gehen wir auf die Straße und fordern wir unser Recht. Zurückhaltung ist heute nicht mehr angebracht. Zeigen wir Zivilcourage und machen wir den von uns gewählten Abgeordneten nicht wieder gutzumachen sind. Nur bei einem beständigen Ansturm auf die Bastionen des Beharrens werden wir diese auch zu einer dynamischen Haltung und zum Umdenken in ihren erstarrten Positionen bringen können. Wann wird bei uns die Einsicht kommen, daß wir das wertvolle eigene Kulturerbe, das wir besitzen, auch pflegen und fördern müssen?

Denjenigen, die mir entgegenhalten wollen, dass in dieser Zeit des technischen Umbruchs und der Eroberung des Weltraums das Museum keinen Platz und keinen Sinn mehr habe, möchte ich einige Worte von Ernst Beutler, dem früheren Direktor des freien deutschen Hochstifts in Frankfurt/Main einmal ins Gedächtnis rufen: „Wir wissen es: die Zeit hält niemand auf. Und gewiss nicht ein Museum. 

Ja, im Gegenteil, je tiefer unsere Erfahrung um die Vergänglichkeit ist, um so schneller fliegt die Zeit. Aber das Museum kann ein anderes. Es kann nicht dem Vergangensein, aber dem Vergessensein entreißen, was der Vergessenheit immer aufs neue zu verfallen droht, aber nicht verfallen darf. Es kann das beste aus abgelebten Epochen herüberretten und immer wieder einer neuen Gegenwart konfrontieren. Daher ist kein Wort so töricht, wie das vom toten Museum. Ein Museum ist gerade soviel tot, und gerade soviel lebendig, als der Mensch geistig tot oder lebendig ist, der es betritt.

Ja gerade in einem Museum können sich aufregende, beglückende, entscheidende Begegnungen vollziehen. Und wie der Mensch von den Fragen bewegt wird: Woher komme ich, wo gehe ich hin? – so wird und soll auch ein Volk nicht nur nach seiner Zukunft, sondern auch nach seiner Herkunft fragen. „Geschichtslos leben heißt kulturlos leben.“
Anlagen: – Festvortrag von Rudolf Stampfuß 1971 „Heimatpflege heute“ mit Auszügen aus der Rede des Duisburger Oberbürgermeisters Arnold Masselter, der Niederrhein 39, 1972, 22-26 . – Cornelius Ankel, 50 Jahre Niederrheinische Gesellschaft für Heimatpflege. Aus: Niederheinisches Museums 1971, Heft 2, 2-3.

  • Zeitungsartikel zur Neugründung der Gesellschaft 1955
  • Zeitungsartikel zur jüngsten Entwicklung 1992- 1995

Liebe Jubiläumsgäste

Ich freue mich, Sie heute so zahlreich begrüßen zu können. Besonders möchte ich die Anwesenheit von Frau Edith Stampfuß, der Gattin unseres Gründers, Prof. Dr. Rudolf Stampfuß, von Frau Gertraud Hartmann, der Gattin unseres langjährigen ersten Vorsitzenden Georg Hartmann herausheben, desgleichen von Herrn Prof. Dr. Fritz Holthoff, der Rudolf Stampfuß zu seinen akademischen Lehrern zählt, von Frau Köhler -Osbar und Herrn Dr. Köhler, Herrn Dr. Vogt, dem Hauptvorsitzenden des Vereins Niederrhein in Krefeld, dessen Mitglied die Niederrheinische Gesellschaft seit 1955 ist, Herrn Ibe vom Rat der Stadt Duisburg. Ich begrüße die Vertreter der Duisburger Bürgervereine und Bürgerinitiativen, Kollegen und Freunde und last but not least die zahlreichen Mitglieder unseres Vereins.

1996

Trotz dieser erfolgreichen und viel beachteten Arbeit gibt es keinen Grund sich zufrieden zurückzulehnen, denn die Achtung vor unserer Vergangenheit, die Bewahrung und Pflege ihrer Zeugnisse ist trotz klarer rechtlicher Vorgaben und mancher Lippenbekenntnisse keine Selbstverständlichkeit geworden und muß immer wieder von neuem ernsthaft gegen die Ansprüche der Gegenwart abgewogen und erkämpft werden. Frühere Vereinbarungen und Versprechen sind anscheinend längst vergessen. 

Jede Generation muß das, was sie von ihren Vätern ererbt hat, erst wirklich sich zu eigen machen, um es zu besitzen. Unsere Kinder erwarten, dass wir diesen Besitz, der wertvoller Teil unseres Kulturerbes und somit unsere Identität ist, nicht verschleudern, sondern wahren und mehren und ihn so weitergeben. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden ein zeitliches Kontinuum und bedingen einander. Das Wissen um Vergänglichkeit sollte uns Bescheidenheit lehren. Wir sind nur ein winziges Glied in einer langen Kette menschlichen Lebens und gerade unsere jüngste Vergangenheit hat uns gezeigt, wohin Maßlosigkeit führt.