Die Duisburger Königpfalz

Die Duisburger Königspfalz

von Günter Krause, Duisburg

Einleitung

Duisburg entstand vor rund 2000 Jahren am Zusammenfluss von Rhein und Ruhr, an der Kreuzung wichtiger Landwege in alle vier Himmelsrichtungen. Hier befanden sich der einzig günstige Rheinübergang im weiten Umkreis und ein Ruhrübergang im Zuge einer wichtigen Nord-Süd-Verbindung (Abb. 1-2). Zum Schutze und zur Überwachung dieses Knotenpunktes und Einfalltores aus dem germanischen Hinterland wurden nach der römischen Eroberung des linksrheinischen Gebiets das Alenlager Asciburgium gegenüber der Ruhrmündung angelegt und in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts als Nachfolger das Kleinkastell Werthausen.

Auf rechtsrheinischem Gebiet im Zentrum der späteren Duisburger Altstadt entstand ein römischer Brückenkopf. Der heutige Burgplatz, ein vorgeschobener Sporn der Niederterrasse am Rande des Rheines zwischen Dickelsbach- und Ruhrmündung, bot sich hierfür an (Abb. 2, a, Abb. 3, 1, Abb. 4-5). Die Ringbebauung des Duisburger Burgplatzes umschloss bis in den Zweiten Weltkrieg hinein den innersten Kern und Mittelpunkt der Duisburger Altstadt. Alle Straßen führten auf dieses Zentrum zu.

Erst die Kriegszerstörungen und deren Folgen mit der starken Überbauung des Stadtgrundrisses haben Duisburg dieses ältesten Stadtkerns beraubt. Auf dem Stadtplan von 1566 findet sich auf der Freifläche rechts der Salvatorkirche die Beschriftung ,,De Borcht“ (die Burg) und darunter in kleinerer Schrift Olim Arx imperii. Hic cives in re militari exerceri solent (,,Einst war hier die kaiserliche Burg. Hier pflegen sich die Bürger in den Waffen zu üben“) (Abb. 5, oben). 1

Vor der Zerstörung des Burgplatzensembles kannte man allgemein den Begriff ,,auf der Burg“. Heute ist davon nur noch der Name Burgplatz übrig geblieben. Er behielt aber seine Funktion als Verwaltungssitz bis heute. Die römische Präsenz in der Duisburger Altstadt und im östlichen Ortsteil Duissern mit dem Ruhrübergang (Abb. 1-2) ist erst durch jüngere archäologische Ausgrabungen in Alt-Duisburg näher erfasst und untersucht worden.2

1 Joseph Milz/Günter von Roden: Duisburg im Jahre 1566. Der Stadtplan des Johannes Corputius (Duisburger Forschungen 40). Duisburg 1993. S. 14.
2 Günter Krause: Archäologische Zeugnisse zum ältesten Duisburg. In: Günter Krause (Hrsg.) 10 Jahre Stadtarchäologie in Duisburg 1900-1990 (Duisburger Forschungen 38). Duisburg 1992. S. 93-168. Zusammenfassend: Ders.: Archäologische Beiträge zur frühen Geschichte Duisburgs von frühen Anfängen bis heute. In: Nomen et Fraternitas. Festschrift für Dieter Geuenich. (RGA-Ergänzungsbände 62). Berlin/New York 2008. S. 383-404.

Lageplan
Abb. 1 Gebiet der Stadt Duisburg seit dem Mittelalter bis zur Eingemeindung von Ruhrort und Meiderich 1905. Kartenausschnitt aus der topographischen Karte der Kreise Ruhrort, Duisburg Mülheim a d. Ruhr, Stadt und Landkreis Oberhausen von A. Hofacker, Düsseldorf 1904.
Rheinverlauf
Abb. 2 Duisburg und Umgebung mit Rhein- und Ruhrlauf vor dem Durchbruch bei Essenberg (A) mit älteren Flussauen im Bereich der ummauerten Altstadt und heutigem Rheinlauf (B). 1: Umriss der mittelalterlichen Stadt mit Burgplatz. (a);2: spätkarolingischer Töpferbezirk vom Averdunkgelände; 3: Tonentnahmestätten; 4: Ruhrübergang mit Doppel Niederungsburg 5: Abschnittswall auf dem Kaiserberg 6: Steinbruch I: römisches Alenlager Asciburigum (1. Jahrhundert n. Chr.); II: Kleinkastell Werthausen (spätes 1, Jahrhundert - frühes 3. Jahrhundert n. Chr').

Die ältere Forschung glaubte noch, dass Duisburg in spätfränkischer Zeit entstanden sei.3 Dabei gab es bis in die frühe Neuzeit eine wenn auch diffuse Überlieferung zum Ursprung des Ortes in frührömischer Zeit. Weiter hielt man Duisburg für das Castrum Dispargum des Gregor von Tours, den Sitz des ersten namentlich bekannten frühfränkischen Königs Chlodio aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts.4 

Es ließ sich eindeutig eine ununterbrochene Besiedlung im Bereich der Duisburger Altstadt seit dem 1. Jahrhundert nach Christus nachweisen, mit römischen Steinbauten auf dem Burgplatz.5 Die frühfränkischen Funde könnten ebenfalls dafür sprechen, dass Duisburg wirklich der Ort des Castrum Dispargum ist.6 Sein Platz wäre auf dem Burgplatz zu vermuten.

Duisburger Altstadt
Abb. 3 Duisburger Altstadt mit Mauerring aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und älteren Auenstufen 2 (begrenzt durch die Uferkante bis 3. Jahrhundert v Chr.) und 3 (begrenzt durch die Uferkante bis 1. Jahrhundert n. Chr.). Der Rhein lag bis zum Durchbruch bei Essenberg direkt vor dem Schwanentor, die Ruhrmündung vor dem Stapeltor:, l: Burgplatz, 2: Alter Markt ; 3: Fränkischer Friedhof an der Düsseldorfer/Ecke Friedrich-Wilhelmstraße. B-B: Lage des Uferschnitts durch die jüngere Auenstufe 2 (Unteröderich im Westteil der Altstadt) in Abb. 4.
Schnitt vom Burgberg
Abb. 4 Schnitt vom Burgberg (Burgplatz) bis zum Innenhafen (überhöht). Nach Bohrungen aus dem geologischen Landesamt NRW/ (GLA). Zur Lage des Schnittes siehe Abb. 3, BB. Die Situation am Alten Markt mit dem alten Rheinufer (bis Ende des 1. Jahrhunderts) wurde in diesen Schnitt hineinprojiziert 1: Grenze Flusssand/Auelehm nach Bohrungen am Alten Markt (Nahtrinne). 2: Spurenschicht des 5. Jahrhunderts. 3: karolingisches Pflaster Ende 9. Jahrhundert, Graben des 10. Jahrhunderts. 4: Pflaster des 13. Jahrhunderts. 5: Pflaster des 18./19. Jahrhunderts. II: mittelalterlicher Hafen 9.-14. Jahrhundert.
Alter Markt
Das Duisburger Rathaus mit der Salvatorkirche
Abb. 5A-B Oben: der Alter Markt mit dem Burgplatz und der Salvatorkirche auf dem Stadtplan von 1566. N = mitterlalterliche Markthalle. Rechts des Kirchturmes die an die Außenmauern der zerstörten Pfalz angebauten kleinen Häuser. IJnten: Die gleiche Ansicht heute mit Rathaus,Salvatorkirche, Altem Markt und neuer Schwanenstraße mit Stadtbahntrasse.

Die fränkische Siedlungskontinuität lässt sich sowohl an Grab- als auch Siedlungsfunden fassen. Letztere streuen über weite Teile der späteren Duisburger Altstadt.7 Der Burgberg blieb mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin Ortsmittelpunkt mit einem Königshof 8, der in spätkarolingischer Zeit zu einer Königspfalz ausgebaut wurde.

Gesicherte historische Quellen zu Duisburg lassen sich aber erst seit dem späten 9. Jahrhundert fassen.9 Die direkte Ersterwähnung der Königspfalz (palatium et curiam regalem) stammt aus dem Jahre 1145.10 Ihr Bestehen bereits seit der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts legen aber zahlreiche Königsaufenthalte in Duisburg nahe. Zwischen 922 und 1016 sind 16 eindeutig nachgewiesen.11 Für die Zeit danach sind nur noch zwei Königsaufenthalte in Duisburg gesichert. Der Ausbau des Königshofs zur Pfalz ist danach in das 1. Drittel des 10. Jahrhunderts zu datieren. Ein präziseres Datum zur Errichtung der Pfalz lässt sich nur durch archäologische Erkenntnisse gewinnen. Auch für ihre weitere Entwicklung sind wir stark auf archäologische Befunde angewiesen.

Archäologische Zeugnisse zur Duisburger Königspfalz

Schon Konrad Plath identifizierte die beim Bau des Rathauses 1898 auf dem Burgplatz aufgedeckten und heute ganz überwiegend nicht mehr erhaltenen umfangreichen Mauern von Saalbauten richtig als die Überreste der mittelalterlichen Duisburger Königspfalz (Abb. 6).12 Seine unter einem unglücklichen Stern stehenden und von ihm nicht veröffentlichten Untersuchungen wurden durch Ausgrabungen in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten ergänzt. 

Eine genauere Vorstellung von den Hauptgebäuden der Pfalz ist aus der Grabungsdokumentation Konrad Plaths nur schwer zu gewinnen, da in ihr Baunähte fehlen, ebenso jegliche archäologische Datierung. Günther Binding hat sich zuerst um eine Periodisierung dieser Bauten nach den Befundplänen Konrad Plaths und Hans Falkowskis bemüht. Letzterer konnte auf der flachen Ostseite des Burgplatzes einen zur Pfalz gehörenden Befestigungsgraben dokumentieren, der schon in den 1920er Jahren beobachtet wurde. Den danach erreichten Forschungsstand zur Pfalz hat Binding 1969 veröffentlicht.13

Erst mit dem Beginn neuer stadtarchäologischer Untersuchungen seit 1980 ist ein weiterer Erkenntniszuwachs erzielt worden, der auch zu einer Neubewertung älterer Grabungen beigetragen hat. Daraus ergibt sich ein besseres Bild der Beschaffenheit der Duisburger Pfalz und der frühen Entwicklung des Ortes. Der neue Forschungsstand zur Pfalz ist vom Verfasser zusammenfassend bis 1994 dargestellt worden.14 Er soll hier ergänzt werden. Im Lichte dieser Erkenntnisse ist auch die historische Überlieferung neu zu befragen.

Die Hauptgebäude der Pfalz

Bei den älteren Untersuchungen waren nur die Kernbauten der Pfalz, d. h. die repräsentativen Saalbauten und die Pfalzkapelle nachgewiesen worden. Binding konnte daran eine ältere Bauphase der Pfalz herausstellen, die er in das 10. Jahrhundert datiert.15 Richtig erkannte er darin eine besondere Verwandtschaft mit der Heinrich II zugeschriebenen Bamberger Pfalz.16 Nur die Überreste zweier Saalbauten (Abb. 6, F, G) meinte er einer jüngeren Phase der Pfalz aus dem 11./ 12. Jahrhundert zuweisen zu können.17 Dem hat Joseph Milz begründet widersprochen. 

Zwar hat die in der Mitte des 12. Jahrhunderts errichtete staufische Salvatorkirche (Abb. 6 P) zu einem teilweisen Abbruch von Pfalzgebäuden geführt. Diese wurden wahrscheinlich durch den Bau der Saalbauten F und G ersetzt. Milz weist darauf hin, wie prägend die Saalbauten insgesamt noch für die Bebauung des Burgplatzes im 19. Jahrhundert vor dem Rathausbau von 1898-1902 gewesen waren. Nach dem Stadtbrand von 1283 blieben ihre Außenmauern offensichtlich stehen. Kleine Häuser wurden an ihre Außenseiten gebaut, während die Innenfläche als Hof genutzt wurde.18

Milz konnte weiter auf dem Stadtplan von 1566 den Bau F der Pfalz noch als Gebäude mit romanischen Fenstern identifizieren.19 Er hatte zusammen mit dem Turmhaus O (Abb. 6, O) den Stadtbrand von 1283 überstanden. 1989 wurde das Südende von Bau F unter dem Rathausdurchgang entdeckt.20 Es ist der letzte größere Rest der Hauptgebäude der Duisburger Pfalz. 2004 kam direkt südlich von Bau F der Rest eines weiteren Gebäudes zum Vorschein, das anschloss (Abb. 6, S). Er ist noch ca. 1,6 m lang erhalten, 1 m dick und nordsüdlich ausgerichtet.

Das Fundament besteht aus Kieseln und wenigen Bruchsteinen, darüber sind noch drei Lagen aufgehendes Zweischalenmauerwerk aus Tuff mit einem Gusskern aus Kieseln und kleinen Bruchsteinen erhalten, wie es bis ins 13. Jahrhundert in Duisburg häufig war.21 Im Jahre 2000 wurden neue Grabungen in der Salvatorkirche durchgeführt. Dabei zeigte es sich, dass die nördliche Längsmauer der zur Pfalz gehörenden Saalkirche (Abb. 6, A) weiter nach Westen reichte als bisher angenommen.22

3 Fritz Tischler, Beiträge zur Asciburgiumforschung (Duisburger Forschungen 2). Duisburg 1959. s.172.
4 Milz/von Roden, Duisburg im Jahre 1566, S. 11 u. S. 51ff. Zu Dispargum zuletzt Joseph Milz: Neue Erkenntnisse zur Geschichte Duisburgs (Duisburger Forschungen 55). Duisburg 2008. s. 16-34.
5 Krause, Archäologische Zeugnisse, S. 93-168; Ders., Stadtarchäologie in Duisburg. In: Günter Krause Hrsg.): 10 Jahre Stadtarchäologie in Duisburg 1980-1990 (Duisburger Forschungen 38). Duisburg 1992. S. 1-65 mit Übersicht in Abb. 51.
6 Zu diesen Funden Krause, Archäologische Zeugnisse, S.94ff. u. 106ff.; Ders.: Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen im Bereich der Duisburger Altstadt, mit Beiträgen von Berke, R. Gerlach, K.-H. Knörzer u. J. Meurers-Balke. In: Germania 72 (1994). S. 529-579.
7 Krause, Archäologische Beiträge, S. 384ff. mit Abb 3 u. S. 398 ff
8 Milz, Neue Erkenntnisse, 5.35-57.
9 Günther Binding/Elisabeth Binding: Archäologisch-historische Untersuchungen zur Frühgeschichte Duisburgs (Duisburger Forschungen Beiheft 12). Duisburg 1969. S.3ff.;Joseph Milz, Pfalz und Stadt Duisburg bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 120 (1984).135-154. Duisburg (Rheinischer Städteatlas IV 2I). Bearb. Von Joseph Milz. Bonn 1985, S. 1f.; zuletzt Milz, Neue Erkenntnisse, S. 35ff.
10 DUB I, Nr. 11. MG DD Ko III., 135.
11 Zusammenstellung bei Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S.20 ff. und in Rheinischer Städteatlas Duisburg, II,1 u. III, 9; Reinhold Kaiser: Das Ruhrgebiet im Itinerar der früh und hochmittelalterlichen Könige. In: Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet. Katalog Band 2. Essen 1990. S. 12-19.
12 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 61ff.
13 Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 35ff. Zuletzt Günther Binding, Deutsche Königspfalzen von Karl dem Großen bis Friedrich II. (765-1240). Darmstadt 1996. S. 142-149 mit weiterer Literatur. Binding berücksichtigt hier nur den Forschungsstand bis 1983.

14 Günter Krause: Neue archäologische Erkenntnisse zur Duisburger Königspfalz. In: Chateau Gaillard. Etudes de castellologic medievale 20 (Publications du CRAHM). Caen 2002. S. 83-87; Ders.: Nebenbauten der Duisburger Königspfalz des 10.-13. Jahrhunderts. In: Chateau Gaillard 21. Caen S. 137-151; Ders.: Von der Duis-Burg zur Stadt Duisburg. In: Chateau Gaillard 22. Caen 20a6. 205-210. Die Darstellung von Milz, Neue Erkenntnisse, S. 61ff. und S. 79ff. ist nach Meinung des Verfassers nicht auf der Höhe des archäologischen Forschungsstandes. Ähnliches gilt für Hans-Peter Schletter: Archäologische Untersuchungen in der Duisburger Altstadt. Bericht über Ausgrabungen und Beobachtungen der Jahre 2004-2008 (Duisburger Forschungen 58). Duisburg 2012. S. 283414. Besonders seine Ausführungen zur Königspfalz a. a. O. S. 287-348 stiften mehr Verwirrung als dass sie tragfähige neue Ergebnisse bringen. Die Erkenntnisse des Verfassers zur Königspfalz und zur Vorgeschichte ihrer Entstehung sollen 2015 ausführlich veröffentlicht werden. In diesem Zusammenhang wird näher auf die oben genannten Arbeiten eingegangen werden.
15  Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 30 Abb. 2, S. 33ff. u. S. 79ff.
16  Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 81ff. mit Abb. 34.
17 Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S.34 Abb.4 u. S.41f.
18 Joseph Milz: Reichszins und Stadtentstehung. Untersuchungen zur frühen Topographie Duisburgs (Duisburger Forschungen 38). Duisburg 1987.5.1-12, hier: S. 4, Abb. I u. Abb. 7.
19 Joseph Milz: Die Entwicklung Duisburgs im Mittelalter. In: Duisburg im Mittelalter, Begleitschrift zur gleichnamigen Ausstellung im Niederrheinischen Museum der Stadt Duisburg. Duisburg 1983. Abb. S. 128.
20 Krause, Stadtarchäologie, S. 23 u. 33 mit Abb. 28.

21 Schletter, Archäologische Untersuchungen, S. 295ff., Abb. 2, 1 u. Abb. 5-6. Schletters Mutmaßungen über die Funktion der Mauer sind nicht nachvollziehbar. Da das Fundament derselben 0,4 m höher als das Fundament der Mauer von Bau F liegt, nimmt er an, dass diese von Bau F abgeschnitten worden sei, obwohl es dafür keinen Beweis gibt. Er bringt sie mit der von Fritz Tischler beim Abbruch der Gebäude an der Brüderstraße angeblich beobachteten Ringmauer in Zusammenhang. Eine solche hat es nach Ansicht des Verfassers nie gegeben. Siehe hierzu ausführlich Anm. 32.
22 Schletter datiert die Saalkirche noch in das Ende des 9. Jahrhunderts. Die Pfalz hält er für später. Seine Gründe dafür sind nicht stichhaltig. Siehe H.-P. Schletter: Die Duisburger Salvatorkirche. Von der Pfalzkapelle zur,,Groote Kerk“ des Bürgertums. Ergebnisse der Ausgrabungen von 1956, 1960 und 2000 (Duisburger Forschungen 57). Duisburg 2010. S. 76ff.

Die Königspfalz
Abb. 6 Alter Markt, Burgplatz, Schwanenstraße und Umgebung. Übersicht zu den Ausgrabungen 1980-1994 mit älteren Befunden 1-4: beobachteter Pfalzgraben des späten 9./10. Jahrhunderts. 1: ältere Beobachtungen von 1929; 2: Tischler 1961 und Krause 1991; 3: Pfalzgraben an der nordöstlichen Seite; 4: an der Westseite zum Alten Markt; 5: Brücke der Pfalzauffahrt vom Rhein; 6: 2012 in Leitungsgraben beobachtete Bruchsteinmauern (ungefähre Lage); Großbuchstaben: Gebäudebezeichnungen nach Binding Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 35 ff.; S: 2004 neu entdecktes Pfalzgebäude des 12.(?) Jahrhunderts (Mauerrest). Nach Krause: Nebenbauten, S. 139 Abb. 4 mit Ergänzungen bis 2012.

Die Ringbebauung der Pfalz und der vorgelagerte Graben

Bei Ausgrabungen auf dem Alten Markt und an der ehemaligen Pfeffergasse (Abb. 6) zwischen 1980 und 1990 konnte der Westrand des Pfalzbezirks an der Hangseite des Burgberges erfasst und in die detaillierte Stratigrafie des Alten Marktes mit einbezogen werden (Abb. 7-8). Weitere Grabungen im Bereich des ehemaligen Minoritenklosters an der Stadtmauer nördlich und nordöstlich davon bis zur Nordostecke des Pfalzbezirks (Abb. 6) halfen die dortige topografische Situation zu klären. Der Burgberg hatte hier ursprünglich ein Gefälle von rund 20% zur Aue hin.

Er bildete das Ufer (Prallhang) eines verlandeten Rheinlaufes (Abb. 3, Uferzone des 1. Jahrhunderts n. Chr.; Abb. 4). Der Hangfuß lag um 900 bei rund 24,50 m ü. NN noch im Hochwasserbereich des Rheines (Abb. 7, Schnitt A-B; Abb. 8-10). Dieser floss damals westlich des Alten Marktes in nordöstliche Richtung (Abb. 2, Abb. 6). Sein Wasserspiegel war damals bei 22 m und die Hochwassergrenze bei 25, 2 m ü. NN.

Mit weiteren archäologischen Befunden aus der Duisburger Altstadt lässt sich eine dichte z.T. stratigrafische und chronologische Abfolge herausstellen. In diese fallen wichtige Ereignisse der frühen Geschichte Duisburgs (Tabelle 1), darunter auch die Errichtung der Königspfalz.

Übersicht der Grabungsflächen
Abb. 7 Oben: Alter Markt und Pfeffergasse. Übersicht der Grabungsflächen 15.1 bis 15.14 mit den Fundamenten und Kellern K1 bis K6 des Markthallenkomplexes und den Kellerfundamenten des Gebäudes östlich der Markthalle, den Grabungsflächen 37.1 und 37.2 oberhalb des Alten Marktes an der ehemaligen Pfeffergasse mit Überresten von Pfalzgebäuden (1-6). I: Brunnen des 5. Jahrhunderts; II: karolingische Skelette; III: Gebäude östlich der Markthalle, Keller des Vorgängerbaus des 13. Jahrhunderts; IV Glockengussgrube; V Wegedamm der Pfalzauffahrt vom Rhein mit Brücke und Entwässerungsgraben am Fuße des Wegedamms in Fläche 15.12 und 15.13 erfasst, übriger Verlauf erschlossen; VI: Pfalzgraben; VII: 2006 erneut angeschnittenes Pfalzgebäude 6. C-D: Lage des Schichtenprofils Abb. 8. Unten: A-B: West-Ost-Profilschnitt durch die Flächen 15.1-37.1.5 vom Rande des Alten Marktes bis zum Rathaus auf dem Burgplatz. mit Pfalzgraben (Fl. 15.1) und dem Alten Zollhaus an der ehemaligen Pfeffergasse. 14-10: karolingische Schichten Der Pfeil markiert die ungefähre Höhenlage des in Schicht 14 in Fläche 37.1.3 gefundenen karolingischen Skeletts.
Stratigraphie Alter Markt
Abb. S Übersicht über die Stratigraphie des Alten Marktes am Beispiel eines West-Ost-Schnittes durch die Flächen 15. K 1, 15.6 und 15.1 1. 1: Nachkriegszeit bis heute; 2: Schutt des 2. Weltkrieges, 3: Vorkriegszeit bis 17. Jahrhundert 4 und 5: mittelalterliche Marktpflaster der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts, 6-12: Marktschichten des 13.-10. Jahrhunderts, 13-16: Marktschichten des 10.-9. Jahrhunderts, 17-19: Uferzone des 9.-5. Jahrhunderts. Höhen über NN. Zur Lage des Schnittes siehe Abb. 7, C-D.
Absolute und relative Abfolge der Befunde
Tabelle 1 Absolute und relative Abfolge wichtiger archäologischer Befunde aus Duisburg und ihr Bezug zu Ereignissen aus dem späten 9. bis Erste Hälfte 10. Jahrhundert in Duisburg im Vergleich mit Funden und Befunden aus der Erbauungszeit der spätkarolingischen Burg Mülheim-Broich und der Kirche St. Walburga in Meschede, l: Zeit kurz nach 872; ll': Zeit um 884; III: Zeit des Wiederaufbaus Duisburgs bis etwa 1. Hälfte 10. Jahrhundert.
Menschliche Überreste
Tabelle 2 Menschliche Überreste aus der Duisburger Altstadt, die mit dem Wikingerüberfall und deren Aufenthalt von 883/84 in einem Zusammenhang stehen könnten Bestimmungen von G. Nobis (Alter Markt, Baugrube C&A), P. Pieper, G. Müldner (im Zusammenhang gefundene Skelette) und unbekannt (Duisburg-Niederstraße, Grube 36).

Die Abfolge beginnt mit einem jahrringdatierten Kastenbrunnen vom Rande des Alten Marktes, dessen Hölzer 872 geschlagen und wahrscheinlich auch verbaut worden sind.23 Er ist durch ein Hochwasser unbrauchbar geworden. In seine offen gebliebene Einstiegsgrube wurden Abfälle eingebracht, darunter Reste zahlreicher Gefäße und Brandreste mit im Feuer verziegeltem Lehmverputz verbrannter Hauswände. Gerade noch überlappend oder wenig jünger ist nach dem Keramikspektrum Schicht 16 vom Alten Markt (Tabelle 1).24

In Schicht 16 fällt der Produktionsbeginn eines karolingischen Töpferbezirks außerhalb Duisburgs (heutiges Averdunkgelände), damals am Westufer der Ruhr direkt am Hellweg gelegen (Abb. 2, 2).25 Aus Schicht 16 kommen Funde, die sich mit der ersten gesicherten historischen Nachricht zu Duisburg, dem Überfall und der Überwinterung dänischer Wikinger 883/84, zusammenbringen lassen.26

Es handelt sich um zahlreiche menschliche Überreste (Tabelle 2) und Schutt verbrannter Häuser. Sie konzentrieren sich besonders um den Alten Markt, mit den meisten Ausgrabungen, streuen aber auch über den West- und Ostteil der Altstadt. Sie zeugen von einer massiven Zerstörung. Zusammenhanglose menschliche Skelettreste aus Gruben mit einplaniertem Bauschutt lassen vermuten, dass Duisburg eine Zeit wüst gelegen hat. In Schicht 16 vom Alten Markt fanden sich auch zwei Schiffsniete, typisch für Schiffe skandinavischer Bauart und ein Reitersporn.

Letzterer deutet auf die Anwesenheit von Berittenen hin, die bei der Abwehr der Wikinger in Duisburg zu erwarten waren, als ein Reichsheer im Frühjahr 884 die Normannen aus Duisburg wieder vertrieb. ln die Zeit wohl kurz nach dem Wikingerüberfall gehören die nicht sehr ausgeprägten Marktschichten 15 und 14, die direkt auf Schicht 16 folgen (Abb. 8). Sie können nach dem Keramikspektrum ebenso wie die nächstjüngere Marktschicht 13 nicht weit auseinander liegen.

 Sie enthalten allesamt noch sogenannte Hunneschanskeramik, die zuerst in der Verfüllung des oben genannten Kastenbrunnens mit verbranntem Bauschutt erscheint, weiter Keramik aus dem Duisburger Töpferbezirk vom Averdunkgelände. Hunneschanskeramik findet sich zahlreich unter den Schallgefäßen aus der Kirche St. Walburga in Meschede und ist dort dendrochronologisch in die Zeit zwischen 897-913 datiert.27

Die gleiche Keramik kennen wir auch aus der spätkarolingischen Burg Broich (Abb. 1, Abb. 11-12). Binding nimmt begründet an, dass diese direkt nach dem Wikingerüberfall auf Duisburg zur Sperrung der Ruhr und des Hellwegs angelegt wurde.28 Sie sollte die Wikinger daran hindern, weiter nach Osten vorzudringen und besonders den Zugang zu den nur wenig entfernten Reichsklöstern Essen und Werden schützen. Dies ist offensichtlich gelungen. In Schicht 13 vom Alten Markt gehört auch die Duisburger Königspfalz.

Der hier vor allem der Hangentwässerung und Trockenhaltung des Alten Marktes dienende Graben am Fuße des Pfalzbezirks ist eindeutig in diese Marktschicht eingebunden, desgleichen ein Wegedamm vom Rhein zur Pfalz mit seitlichem Abwassergraben und einer Brücke aus Bruchstein mit einem kanalartigen Durchlass direkt am Hangfuß, um bei Hochwasser für einen Druckausgleich auf beiden Seiten des Wegedamms zu sorgen (Abb. 7, V-VI u. Profilschnitt A-B; Abb. 8, Schicht 13).29

1990 konnte bei Ausgrabungen oberhalb des Alten Marktes der Nachweis erbracht werden, dass die beim Rathausbau an der Pfeffergasse abgerissene Häuserzeile zeitgleich mit Schicht 13 vom Alten Markt ist und somit zur Königspfalz gehören muss (Abb. 7, 1-6). Das gilt auch für ihre Fortsetzung auf der Südseite des Wegedamms zur Pfalz (Abb. 6). Aus den Baugruben der Häuser stammt u. a. Keramik aus dem Duisburger Töpferbezirk und Hunneschansware.

Marktschicht 13 ist die letzte Marktschicht, in der es noch zu Hochwasserablagerungen vom nahen Rhein gekommen ist. In den jüngeren Schichten fehlen diese. Das hängt mit dem Durchbruch des Rheines bei Essenberg zusammen (Abb. 2). Danach lag Duisburg nur noch an einem schiffbaren Altwasser. Diese Rheinverlagerung konnte beim Bau eines Steigers am Duisburger Innenhafen (Abb. 4, II) 1994 genauer archäologisch datiert werden.30 Sie ereignete sich mit großer Wahrscheinlichkeit am Ende von Schicht 13, wohl noch in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts.

Mit Schicht 13 verlor der zur Pfalz gehörige Graben am Alten Markt seine Funktion. Er wurde bei einem Hochwasser endgültig zugeschwemmt und nicht wieder hergestellt. Wahrscheinlich geschah dies beim Durchbruch des Rheines. Der Töpferbezirk vom Averdunkgelände endete ebenfalls mit Schicht 13 vom Alten Markt. In den jüngeren Marktschichten kommt die dort produzierte Keramik nicht mehr vor. Nicht sehr viel später kann die erste Ortsbefestigung mit Wall und Graben angelegt worden sein, die 1992 entdeckt wurde. Sie muss ebenfalls noch in diesen Zeitraum gehören (Tabelle 1).31

23 Abgebildet in: Antje Kluge-Pinsker: Produktion und Verbrauch von Keramik im mittelalterlichen Duisburg des 9.-10. Jahrhunderts (Archäologie und Denkmalpflege in Duisburg 5). Duisburg 2001. 96-99,Taf. 1-4.
24 Zur stratigrafischen Abfolge vom Rande des Alten Marktes zum Burgplatz hin, siehe Krause, Stadtarchäologie in Duisburg, S. 13f., hier Abb. 8.
25 Kluge-Pinsker, Produktion und Verbrauch, S. 3ff. Kluge-Pinsker datiert die Keramik aus dem Töpferbezirk vom Averdunkgelände in Duisburg zu spät, siehe dieselbe, S. 36f. Sie beginnt schon bald nach 880.
26 Zur historischen Überlieferung des Wikingereinfalls von 883/84 in Duisburg zuletzt Milz, Neue Erkenntnisse, S.38ff. Zum archäologischen Befund, Günter Krause: Historisches Ereignis und archäologischer Befund. Drei Fallbeispiele aus der Duisburger Stadtarchäologie. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 16 (2005). S. 37-46 mit Abb. 2-5.
27 Uwe Lobbedey: Bemerkungen zu den Schallgefäßen in St. Walburga, Meschede, \Westfalen. In: Arnold Wolff (Hrsg.): Die Domgrabung Köln. Altertum – Frühmittelalter – Mittelalter. Kolloquium zur Baugeschichte und Archäologie 14.-17.März 1984 in Köln. Köln 1996, 5.239-247; Markus Sanke: Die mittelalterliche Keramikproduktion in Brüh-Pingsdorf (Rheinische Ausgrabungen Band 50). Mainz 2002. S. 161ff. mit Abb. 59-61. 
28 Zuletzt Günther Binding, Deutsche Königspfalzen, S. 142-149 mit weiterer Literatur; Hinweise auf diese karolingische Keramik, die bisher nicht veröffentlicht wurde, bei Günther Binding: Die spätkarolingische Burg Broich in Mülheim an der Ruhr (Rheinische Ausgrabungen 4). Düsseldorf 1908. S. 10; Ders.: St. Johann Baptist in Hamborn (Rheinische Ausgrabungen 9). Düsseldorf 1971,.5. 1061. Badorfer Keramik, Hunneschansware und Duisburger Keramik der Art des Töpferbezirks vom Averdunkgelände aus der karolingischen Burg Broich finden sich in der ständigen Ausstellung in Schloss Broich in Mülheim an der Ruhr.
29 Krause, Nebenbauten, S. 14ff. mit Abb. 7 u. 8.

30 Günter Krause: Archäologische Zeugnisse mittelalterlicher Schifffahrt aus der Duisburger Altstadt – eine erste Übersicht. In: Ingolf Ericsson und Hans Losert (Hrsg.): Aspekte der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Festschrift für Walter Sage. Bonn 2003. S. 260-272, hier: S. 261 u. S. 263f.,II mit Abb. 1,II, Abb.2 B-C u. Abb. 5, 16-33.
31 Günter Krause: Archäologisch-bauhistorische Beobachtungen zur frühen Duisburger Stadtbefestigung. In: Manfred Gläser (Hrsg.): Archäologie des Mittelalters und Bauforschung im Hanseraum. Eine Festschrift für Günter P. Fehring (Schriften des Kulturhistorischen Museums Rostock 1). Rostock 1993. S. 193-200 mit Abb. 7; Ders.: Die Duisburger Stadtbefestigung von ihren Anfängen bis heute. In: Gabriele Isenberg und Barbara Scholkmann (Hrsg.): Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt (Städteforschung A a5). Köln/Weimar/Wien 1997. S.251ff. mit Abb. 6-8. Die Datierung dieser ersten Ortsbefestigung ist von Schletter ohne triftige Gründe wiederholt angezweifelt worden, siehe zuletzt, Schletter, Archäologische Untersuchungen. S. 355ff. Der Wall der ersten Ortsbefestigung ist bisher vom Verfasser an vier verschiedenen Stellen erfasst und untersucht worden, siehe Krause, Die Duisburger Stadtbefestigung, S.251f. u.260f. Abb. 7-8. Dabei kam eine größere Anzahl von Scherben (Pingsdorferware, Duisburger Ware vom Averdunkzentrum) und auch eine EmailscheibenfibeI zum Vorschein, die alle ihren Platz im 10. Jahrhundert finden.

West-Ost-Schnitt durch den Burgberg
Abb. 9 West-Ost-Schnitt durch den Burgberg nach Binding Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 32 Abb. 6 mit Ergänzungen zur Beschaffenheit des Pfalzbezirks durch den Verfasser nach jüngeren Beobachtungen. Die Ringbebauung der Pfalz auf der Ost- und Westseite des Pfalzbezirks und ihr Verhältnis zu den Pfalzgräben sind schematisch nachgetragen. Die Breite des Pfalzgrabens auf der Ostseite bleibt unsicher.
Schematische Bebauung der Ringbebauung
Abb. 10 Ausschnitt aus Abb. 9. Schematische Darstellung der Ringbebauung und des Pfalzgrabens an der steilen Westseite des Pfalzbezirks zum Alten Markt unter Verwendung des Grabungsbefunds in der Salvatorstraße 1980, Krause, Nebenbauten, S. 141 mit Abb. 5-6.

Die oben behandelten Nebenbauten der Pfalz aus Tuff und Bruchstein bildeten eine nur durch einzelne Zugänge unterbrochene Außenfront zum Alten Markt und zur Brüderstraße (Abb. 6). Sie waren durchgehend unterkellert. Die Rückfront dieser Gebäude war zweigeschossig gegen den steilen Burgberg gesetzt (Abb. 9-10).32 
Eine solche Außenfront bildeten auch die Gebäude auf der flachen Ostseite der Pfalz und auf den Nord- und Südseiten. Selbst wenn bisher nur ein Bruchteil dieser Gebäude als zum ursprünglichen Baubestand der Pfalz gehörig identifiziert werden konnte, auf der Westseite sind es sieben, auf der Nordseite vermutlich drei (Abb. 6-7). 

Nur eine geschlossene Ringbebauung noch mit vorgelagertem Befestigungsgraben auf der flachen Ostseite (Abb. 9) gibt einen Sinn. Ansonsten wäre die ganze Anlage nicht verteidigungsfähig gewesen, was gerade für die Zeit der Normanneneinfälle unverständlich bliebe. Man kann diese Ringbebauung als eine Art Vorburg ansprechen. Kranzartig umgab sie die Hauptgebäude der Pfalz (Abb. 6).

Der Pfalzgraben auf der Ostseite ist bereits 1929 am Knüppelmarkt und weiter bis zur Knüppelgasse beobachtet worden (Abb. 6, 1).33 Seine Innenseite lag dicht vor der Ringbebauung. Obwohl er Anfang der 1960er Jahre wieder angeschnitten wurde (Abb. 6, 2), kennen wir bis heute seine exakte Breite nicht. Sie muss aber mehr als 5 Meter betragen haben. Die Tiefe lag bei 2,60 m. 34

1991 wurde die Innenseite des Pfalzgrabens in der Poststraße bei Leitungsverlegungen fast an der gleichen Stelle aufgedeckt, ebenso die Außenwand der Ringbebauung 1,4 m dahinter (Abb. 6,2). Das bestätigt die Beobachtungen von 1929. Die Außenwand besteht aus plattigen Bruchsteinen und im Fundamentbereich aus großen Kieseln, war 0,80 m dick und reichte 1-1,10 m unter die Oberfläche. Es ist anzunehmen, dass sie mit dem Pfalzgraben zusammengehört. Die Untersuchungen von 1961 und 1991 auf der Ostseite des Pfalzbezirks ergaben, dass der Pfalzgraben systematisch verfüllt und somit bewusst aufgegeben worden war. Funde aus der Verfüllung datieren ebenfalls in Schicht 13 vom Alten Markt.35 Das entspricht dem Befund von der Westseite der Pfalz.

Der Pfalzgraben wurde 1994 auch noch an zwei weiteren Stellen auf der Nordseite des Burgplatzes angeschnitten. Auch hier konnte aus der Grabenfüllung Keramik aus dem Duisburger Töpferbezirk geborgen werden.36 Der Graben folgte dort offensichtlich nicht der Ringbebauung und setzt sich in nordwestliche Richtung fort (Abb. 6, 3).

Zuletzt kam der stark gestört Pfalzgraben 2007 bei Leitungsverlegungen an der Einmündung der Brüderstraße in den Flachsmarkt erneut zum Vorschein. Er enthielt die übliche Keramik. Die Fundstelle des Pfalzgrabens liegt genau in der Flucht der weiter nördlich angeschnittenen Grabenfundstellen (siehe Abb. 6, 3). Die Schlussfolgerung des Ausgräbers, dass der Graben dem Verlauf der Ringbebauung an der Brüderstraße folgt, lässt sich leider an seinem Grabungsbericht  nicht überprüfen.37

Die Topografie des Burgberges macht es jedoch unwahrscheinlich, dass der Pfalzgraben in die Brüderstraße umbiegt. Schletter bemerkt selbst, dass die alte Oberfläche der Brüderstraße deutlich nach Norden abfällt.38 Wie stark dies ursprünglich der Fall war, zeigte sich bei Grabungen 1984 im ehemaligen Minoritenkloster nördlich der Brüderstraße (Abb. 6, Minoritenkloster).

Der Fußboden des Untergeschosses des in die Stadtmauer integrierten Klostergebäudes befindet sich bei etwa 23 m ü. NN, das heutige Niveau der Brüderstraße südlich davon bei 29 m i. NN. Die Ringbebauung an der Brüderstraße lag demnach genauso am Hang des Burgberges 39 wie ihr südlicher Teil oberhalb des Alten Marktes. Es gibt auch gute Gründe für einen Grabenverlauf vom Flachsmarkt weiter nach Nordwesten (Abb. 6, 3). Auch hier fällt das Gelände von 31 m ü. NN auf Höhe der Einmündung der Niederstraße in den Flachsmarkt bis zur Stadtmauer nördlich davon auf 25,50 m (Stadtmauerfuß) ab.

Verlängert man den Verlauf des Grabens vom Alten Markt (Abb. 6 u. 7), müsste er bergauf laufen, wenn er durch die spätere Brüderstraße führte.40 Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass er auch am Nordrand des Burgberges weiter am Hangfuß verläuft, um auch dort das Oberflächenwasser abzuleiten.

2011 ist die östliche Ringbebauung der Pfalz wiederum in einem Leitungsgraben erfasst worden. Die bereits 1991 aufgedeckte Bruchsteinmauer (Abb. 6, 2) bog in diesem Bereich zur Ecke um. Hier befand sich ein Zugang zur Pfalz, der sich bis zur endgültigen Zerstörung der Ringbebauung erhalten hatte.41

2012 kam sie bei Rohrverlegungen an der Einmündung der Post- in die Obermauerstraße erneut zum Vorschein. An zwei Stellen wurden dort die Außenmauern des inneren Gebäudekranzes angeschnitten. Sie sind aus Bruchstein und gehören wahrscheinlich zur ursprünglichen Ringbebauung der Pfalz (Abb. 6, 6). 42 Die hier angetroffenen Gebäudereste des äußeren Rings waren aus Ziegeln und sind deshalb eindeutig jünger.

Zusammenfassung und Ergebnisse

Als Reaktion auf den verheerenden Wikingereinfall und -aufenthalt 883/84 wurde wohl in einem Zuge die Duisburger Königspfalz mit Repräsentativgebäuden, Saalkirche und Ringbebauung planvoll errichtet. Der geschlossene Charakter der Anlage mit dem vorgelagerten Graben macht deutlich, dass es sich hier um eine Festung handelt, in der sich in dieser Zeit eine Besatzung aufhielt. Ähnlich geschlossen wirkt die spätkarolingische Burg Broich (Abb. 11-12), die möglicherweise Teil der gleichen Maßnahme war – nämlich zu verhindern, dass die Wikinger die Ruhr und den Hellweg als Einfalltor nach Osten benutzten.43

Die noch erhaltenen Mauern dieser Gebäude sind, soweit diese freigelegt werden konnten, alle im Verband gebaut. Ihre Rückwand wurde von Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, 47 u. S. 30 Abb. 3 zu einer Ringmauer des Burgberges an der Brüderstraße ergänzt, an die sehr viel später Häuser angebaut worden wären. Dem folgen Milz, Neue Erkenntnisse, S. 68f. mit Abb. 6 und Schletter, Archäologische Untersuchungen, S.293ff., Abb. 2,1, Abb. 5-6 u. S. 341ff., S.340 Abb. 30. Die Ausführungen Schletters zur ,,Ringmauer“ erscheinen dem Verfasser abenteuerlich. Die auf unzureichende Beobachtungen Tischlers zurückgehende ,,Ringmauer“ war 1969 noch plausibel, da der Kontext dieser Mauer als Rückwand von unterkellerten Pfalzgebäuden am Hang des Burgberges (vgl. Abb. 7 u 9-10) noch nicht bekannt war. 

Nachdem diese Befunde vom Verfasser 2004 vorgestellt wurden, Krause, Nebenbauten, S. 143f., bleibt das Festhalten an einer ,,Ringmauer“ unverständlich. Eine durchgehende ,,Stützmauer“ am Westhang des Burgbergs, die mehr als 4 m unter die ursprüngliche Oberfläche gereicht haben müsste, macht keinen Sinn. Das Außenniveau vor der Ringbebauung zum Alten Markt lag bei 27,32 m ü. NN. Es wurde durch ein Kieselpflaster gebildet, Krause, Nebenbauten, S.43, hier Abb. 7, 6, Kieselpflaster und Abb. 10, Pflasterschüttung. 

Die Kellerböden der Ringbebauung befinden sich über der Hochwassergrenze von 25, 20 m ü. NN. Das zugehörige Marktniveau der Schicht 13 vom Alten Markt liegt bei ca. 25 m ü. NN. Somit fiel das Gelände von der Westseite dieser Gebäudezeile am Rande des Burgplatzes bis zum Alten Markt damals noch auf gut 20 m um rund 2,30 m ab (Abb. 10). An der Brüderstraße war der Geländeabfall nicht geringer (siehe weiter oben). Auf dem Burgplatz liegt das Bodenniveau bei rund 32 m NN (Abb. 9).

32 Die noch erhaltenen Mauern dieser Gebäude sind, soweit diese freigelegt werden konnten, alle im Verband gebaut. Ihre Rückwand wurde von Binding, archäologisch-historische Untersuchungen, 47 u. S. 30 Abb. 3 zu einer Ringmauer des Burgberges an der Brüderstraße ergänzt, an die sehr viel später Häuser angebaut worden wären. Dem folgen Milz, Neue Erkenntnisse, S. 68f. mit Abb. 6 und Schletter, Archäologische Untersuchungen, S.293ff., Abb.2,1, Abb. 5-6 u. S. 341ff., S.340 Abb.30. Die Ausführungen Schletters zur ,,Ringmauer“ erscheinen dem Verfasser abenteuerlich. Die auf unzureichende Beobachtungen Tischlers zurückgehende ,,Ringmauer“ war 1969 noch plausibel, da der Kontext dieser Mauer als Rückwand von unterkellerten Pfalzgebäuden am Hang des Burgberges (vgl. Abb. 7 u 9-10) noch nicht bekannt war. Nachdem diese Befunde vom Verfasser 2004 vorgestellt wurden, Krause, Nebenbauten, S. 143f., bleibt das Festhalten an einer ,,Ringmauer“ unverständlich. Eine durchgehende ,,Stützmauer“ am Westhang des Burgbergs, die mehr als 4 m unter die ursprüngliche Oberfläche gereicht haben müsste, macht keinen Sinn. Das Außenniveau vor der Ringbebauung zum Alten Markt lag bei 27,32 m ü. NN. Es wurde durch ein Kieselpflaster gebildet, Krause, Nebenbauten, S.43, hier Abb. 7, 6, Kieselpflaster und Abb. 10, Pflasterschüttung. Die Kellerböden der Ringbebauung befinden sich über der Hochwassergrenze von 25, 20 m ü. NN. Das zugehörige Marktniveau der Schicht 13 vom Alten Markt liegt bei ca. 25 m ü. NN. Somit fiel das Gelände von der Westseite dieser Gebäudezeile am Rande des Burgplatzes bis zum Alten Markt damals noch auf gut 20 m um rund 2,30 m ab (Abb. 10). An der Brüderstraße war der Geländeabfall nicht geringer (siehe weiter oben). Auf dem Burgplatz liegt das Bodenniveau bei rund 32 m NN (Abb. 9).

33 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 64ff. Die Annahme von Joseph Milz, dass der ,,Ringgraben“ nicht nur die Pfalz, sondern auch schon den älteren Königshof umschloss, ist eine reine Vermutung, denn der den Burgplatz umschließende Graben (Abb. 6) gehört eindeutig zur Pfalzanlage. Ein älterer Graben ist bisher nirgendwo im Bereich um den Burgplatz angetroffen worden. Beim Rathausbau um 1900 hat Heinrich Averdunk zwischen aufgedeckten Mauern Brandreste mit karolingischer Keramik gefunden. Es könnte sich dabei um Spuren der Zerstörung des Königshofes durch die Wikinger handeln. Solches Fundmaterial stammt auch aus der Baugrube des 2006 wieder angeschnittenen Gebäudes 6 der Ringbebauung der Pfalz zum Alten Markt (Abb. 7, VII), darunter auch verziegelter Hüttenlehm von lehmverputzten Flechtwänden, siehe Schletter, Archäologische Untersuchungen, 299 iI. mit Abb. 18-24. Die Hüttenlehmbrocken, Holzkohle und Rotlehm aus den verschiedenen Verfüllungsschichten der Baugrube, Schletter a. a. O. S. 323, machen deutlich, dass die Brandkatastrophe, der sie zuzuordnen sind, noch nicht sehr lange zurückgelegen haben kann. Schletters Datierung der Keramik aus dem Baugrubenbereich, die nicht jünger als Schicht 13 vom Alten Markt ist, was er selbst betont, in die Zeit um 970, a. a. O. 320ff. kann nicht gefolgt werden. Es ist bisher nicht erwiesen, dass ,,Duisburger Ware von anderen Fundplätzen wirklich aus Duisburg kommt oder ob es sich dabei um eine weitverbreitete keramische Modeerscheinung des 10. Jahrhunderts handelt. Der Verweis auf später im I O. Jahrhundert datierte ,,Duisburger Ware“ von niederländischen Fundplätzen, Schletter, Archäologische Untersuchungen, S. 320 f., ist ohne eine Klärung der Provenienz dieser Keramik nicht zielführend. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Duisburg durch die Rheinverlagerung für einige Zeit seinen Hafen verloren hatte und so der Töpferbezirk seine regionale und überregionale Kundschaft, mit der Folge, dass ein günstigerer Produktionsstandort andernorts eingerichtet wurde.
34 Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 48.

35 Krause, Nebenbauten, S. 139f. u. S. 141ff. Milz, Neue Erkenntnisse, S.71ff. zweifelt die Datierung an, da sie ihm nicht mit den historischen Daten übereinzustimmen scheint. Er meint, dass der Pfalzgraben auf der Ostseite des Burgplatzes erst im 12. Jahrhundert vor dem Häuserbau um die Pfalz herum zugeschüttet wurde, den König Konrad III. 1145 nachträglich genehmigte. Da man den Grabenaushub als Wall aufgeschüttet habe und diesen rückverfüllt hat, sei es nicht verwunderlich, dass die Grabenfüllung Keramik aus ihrer Entstehungszeit enthielte. Sie bestand aber nicht aus dem Aushubmaterial des Grabens, dem hellen Sand der Niederterrasse, Ein Wall war nicht vorhanden. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Ringbebauung der Pfalz und der vorgelagerte Graben zusammengehören. Auch der Pfalzgraben auf der Westseite. Burgplatzes enthielt gleichartiges Fundmaterial. Solches stammt auch aus den Baugruben der Häuser der Ringbebauung darüber, siehe Anm. 33. Ein Zusammenhang zwischen dem Häuserbau vor 1145 und dem Verfüllen des Pfalzgrabens ist deshalb auszuschließen. Die Verfüllung hat andere Gründe.
36 Der Graben war hier gekappt, so dass seine Breite nicht mehr zu ermitteln war.
37 Schletter, Archäologische Untersuchungen, 337f. mit Abb. 29-32. Die Fotos des Leitungsgrabens mit dem Grabenprofil a.a.O. Abb. 29-30 lassen keine Schlüsse auf den Verlauf des Grabens zu. Zu den Leitungsgräben siehe Schletter a. a. O. S. 288, Abb. 1,28.
38 Schletter, Archäologische Untersuchungen, S. 336.
39 Auch die moderne Ringbebauung an der Brüderstraße ist wie der Vorgänger in den Hang des Burgberges hinein gebaut.
40 So Schletter, Archäologische Untersuchungen, S. 338ff. mit Abb. 32.
41 Eine Neuauswertung der Grabungsdokumentation von 1961 ergab entgegen Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 48 mit Abb. 3, N, dass der Graben im Bereich des Zugangs aussetzt.
42 Leider haben sich von den Gebäuden der Ringbebauung nur Reste unter dem Straßenniveau erhalten. Kein einziges ist jemals im Aufgehenden baugeschichtlich untersucht worden.
43 Auch der Ruhrübergang im Zuge der Nord-Süd-Verbindung östlich von Duisburg (Abb. 2, 4) wird geschützt gewesen sein. Die an dieser Stelle gelegene Doppelniederungsburg könnte ältere Vorgänger gehabt haben. Siehe Günter Krause: Eine verlorene Niederungsburg aus der Ruhraue in Duisburg-Duissern und ihr topographisches und historisches Umfeld. In: Interdisziplinäre Studien zur europäischen Burgenforschung. Festschrift für Horst Wolfgang Böhme zum 65. Geburtstag (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung A 9). Braubach 2005. S. 91-100.

Burg Broich am Übergang des Hellwegs
Abb. 11 Lageskizze der karolingischen Burg Broich am Übergang des Hellwegs über die Ruhr, des Reichstifts in Essen und der Reichsabtei Werden an der Ruhr. Die Nord-Süd-Verbindung östlich des Rheins überquert die Ruhr in Duissern siehe Abb. 2, 4. Hier befand sich eine Doppelniederungsburg zum Schutze des Ruhrübergangs, die wahrscheinlich ältere Vorgänger hatte.
Topographie der Burg Broich
Abb. 12 Topographie der karolingischen Burg Broich in Mülheim an der Ruhr.

Gleichermaßen wurde bei der Duisburger Pfalz und der spätkarolingischen Burg Broich das Vorgelände sehr geschickt in die Befestigung der Anlagen mit einbezogen. Vorhandene Höhenunterschiede wurden dafür ausgenutzt, bzw. im flachen Bereich die Befestigung mit einem der Außenmauer vorgelagerten Befestigungsgraben verstärkt. Mit der Duisburger Pfalz zeigte die Reichsgewalt Präsenz, schützte gleichzeitig den Ort und die wichtigen hier zusammenlaufenden Verkehrsverbindungen zu Wasser und zu Lande. Den Wikingern ist es nach 883/84 offensichtlich nicht gelungen, über die Ruhr nach Osten vorzudringen.

Zur Zeit des Wikingeraufenthalts von 883/84 war Duisburg, nach den archäologischen Funden zu urteilen, ein größerer Marktort. In seinem Zentrum lag ein bedeutender Königshof. Er war nach dem bisherigen Kenntnisstand nicht mit Wall und Graben gesichert.

Die Vergabe des Königshofes Duisburg an das Kloster Herrieden, „aus kaiserlicher Macht“ wird von Joseph Milz gut begründet mit dem Normannensturm von 883/84 in Zusammenhang gebracht.44 Er folgert, dass sie von keinem anderen als Karl III, seit 881 Kaiser des Gesamtreiches, veranlasst worden sei, um damit dem Abt des Klosters, Erzbischof Liutbert von Mainz eine Basis für die Abwehr der Wikinger in Ostfranken zu geben, deren Gesamtleitung er innehatte.45

In diese Zeit müssten auch der Wiederaufbau Duisburgs und die Errichtung der Königspfalz fallen, für die ihm vermutlich vom Kaiser die Verantwortung übertragen worden war. 888 zog König Arnulf das Königsgut in Duisburg wieder an sich.46 Es ist nicht anzunehmen, dass der Königshof, d.h. der Wirtschaftshof der Pfalz, schon in der Zeit der Wikingergefahr aus dem Pfalzbezirk ausgegliedert worden ist. Dies geschah wahrscheinlich erst später. Es mag ein Grund dafür sein, dass sie in der Überlieferung schwer zu trennen sind.47

Aus einem Güterverzeichnis der Abtei Prüm erfahren wir 893 von deren Besitz und Einnahmen in Duisburg. Danach besaß Duisburg eine Kirche mit einem Pfarrer, weiter werden Friesen genannt, die in Duisburg lebten und Abgaben leisteten. Friesen kontrollierten damals den Fernhandel. Man fand ihre Kolonien an vielen wichtigen orten und sie waren wahrscheinlich schon länger in Duisburg ansässig.48 Die neue Pfalz, hoch über dem Rhein gelegen, zu der die genannte Kirche gehörte, wurde zu einem Herrschaftszentrum am Niederrhein. Die zahlreichen Funde zur mittelalterlichen Schifffahrt von der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts bis ins 14. Jahrhundert unterstreichen Duisburgs Bedeutung als Handels- und Hafenort.49

Mit dem Ende der Wikingergefahr zu Anfang des 10. Jahrhunderts verlor die Pfalz ihre Festungsfunktion. Der Pfalzgraben wurde zugeschüttet. Durch die Ringbebauung behielt sie aber ihren Charakter als in sich geschlossener Bezirk. In diese Zeit muss eine Rheinverlagerung gefallen sein, die Duisburg vom Hauptstrom des Rheines abschnitt, so dass es nur noch an einem ganzjährig schiffbaren Altarm lag. 

Der Hauptstrom verlief jetzt rund 2 km östlich von Duisburg. Dieser Schicksalsschlag schuf eine völlig neue Situation, behinderte die Duisburger Handelsaktivitäten aber für mehrere Jahrhunderte nicht. Es verlor jedoch die Kontrolle über den Strom und den günstigen Flussübergang.

In diesen Zeitabschnitt fällt die Anlage einer ersten Ortsbefestigung mit Wall und Graben. Diese Befestigung markiert in weiten Teilen schon den Umriss der späteren Duisburger Altstadt. Die jüngeren Stadtmauern stehen auf diesem Wall.50

Trotz des Verlusts der direkten Rheinanbindung wuchs Duisburg weiter und wurde dabei sicherlich vom Königtum gefördert. 904 wird ein pagus Duisburg erwähnt. Söhnke Lorenz betrachtet ihn als Bezirk der Reichsgutverwaltung, zu dem Duisburg, Kaiserswerth und Mettmann gehören. Er gibt ihm den Namen Duisburg-Kaiserswerther Grafschaft und nimmt an, dass Duisburg bis in die ersten Jahrzehnte des 11. Jahrhunderts als Zentrum eines Reichsgutkomplexes anzusehen ist und diese Funktion danach an Kaiserswerth überging, das zum neuen Zentrum ausgebaut wurde. Seine Verwaltung lag in dieser Zeit in den Händen von Pfalzgrafen.51

Königliche Dienstleute, die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Königshof und später der Pfalz (königliche Münze, Zollverwaltung, Grutrechte usw.) wahrnahmen, lassen sich urkundlich erst vereinzelt im 13. Jahrhundert fassen. 2 Eine ganze Anzahl frühstädtischer Adelssitze in der Duisburger Altstadt aus dem 12.-13. Jahrhundert, z. T. mit älteren wurzeln, mag auf diesen Personenkreis zurückzuführen sein.53

Im 12. und 13. Jahrhundert traten die Herzoge von Limburg als Forstmeister und königliche Vögte in Duisburg in Erscheinung. Die zahlreichen Nennungen Duisburgs im 10. Jahrhundert, die sich aber nicht explizit auf Pfalz und Königsgut beziehen, bestätigen die wachsende Bedeutung des Ortes. Schon damals, nach der Entfestigung der Duisburger Pfalz, die nicht, wie jüngst noch angenommen wurde, ins 12. Jahrhundert gehört, werden sich die ursprünglich als Märkte genutzten Straßen um die Pfalz herum (Abb. 5 oben, Abb. 6) entwickelt haben. Mit dem Wachsen des Ortes ist auch an den Rändern dieser Märkte mit Häusern in Holzbauweise zu rechnen. Vermutlich wurden sie im 12. Jahrhundert von Steingebäuden abgelöst.

Die veränderte Lage Duisburgs, nicht mehr den Hauptstrom des Rheines beherrschend, sondern ins Hinterland gerückt, machte es als Pfalzort weniger attraktiv für das Königtum als davor. Der Bau einer neuen Pfalz in Kaiserswerth, auf einer Rheininsel direkt im Strom war wohl eine Folge davon. Duisburgs Stellung als bedeutender Handels- und Hafenort blieb aber erhalten. Die königliche Münze, Zoll die Einrichtung von Märkten und zahlreiche andere Privilegien und Vergünstigungen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts weisen darauf hin.54 Ein bevorzugter Ort für Königsaufenthalte war es aber nicht mehr.

Da Duisburg eine gute Einnahmequelle blieb, bemühten sich das Königtum und alle sonstigen Besitzer um den Erhalt und Ausbau derselben. Daran änderten anscheinend auch die häufige Vergabe des Königsguts in Duisburg seit dem 11. Jahrhundert und die Anfang des 13. Jahrhunderts beginnenden Verpfändungen der Stadt und ihrer Einnahmen durch die Herrscher nichts.55

Schon im 11. Jahrhundert ist mit größeren Umbauten im Pfalzbereich zu rechnen. In Duisburg geprägte Pfennige Heinrichs IV. zeigen eine Kirche wohl auf dem Burgberg in zwei Ansichten, einmal vom Wasser (Westen) her (Abb. 13,1), das durch eine Wellenlinie angedeutet ist, über einer stilisierten Befestigungsmauer. Der zweite Pfennig zeigt die Kirche nur von Norden in Seitenansicht (Abb. 13,2). Es kann sich nicht mehr um die erste Saalkirche der Pfalz handeln (Abb. 6, A), sondern nur um einen größeren Nachfolger.56

44 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 42-44.
45  Milz, Neue Erkenntnisse, S. 43 f.; Binding, Die spätkarolingische Burg Broich, S. 20 f.
46 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 44.
47 Duisburg, Rheinischer Städteatlas, s. 1 f., s. 6, III,1. Zum Königshof, Milz, Neue Erkenntnisse, 35-57.
48 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 45-47.
49 Günter Krause: Duisburg als Handels- und Hafenort im Mittelalter und der frühen Neuzeit. In: Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 14 (2003). 30-42; Milz, neue Erkenntnisse, S. 99-104.
50 Der von Milz, Neue Erkenntnisse, S. 84ff., 96ff. u. Abb. 16 vermutete Mauerverlauf um 1120/25 ist mit dem archäologischen Befund nicht vereinbar. Er ist überwiegend unzutreffend dargestellt. Zur Entwicklung der Stadtbefestigung siehe, Monika Porsche: Duisburg. In: Stadtmauer und Stadtentstehung. Untersuchungen zur frühen Stadtbefestigung im mittelalterlichen deutschen Reich. Hertingen S. 85-1 12.
51 Söhnke Lorenz: Kaiserswerth im Mittelalter. Genese, Struktur und Organisation königlicher Herrschaft am Niederrhein (Studia Humaniora. Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance 23). Düsseldorf 1993. S. 17ff., 37f., 43ff.
52 Milz, Reichszins, S. 73; Duisburg, Rheinischer Städteatlas, S. 6f., 11,6.
53 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 36. Krause, Frühstädtische Adelssitze, S. 105-110. Die Organisation des Hafenbetriebs kommt hinzu, bleibt aber nicht fassbar. Siehe hierzu, Christina Deggim: Hafenleben in Mittelalter und früher Neuzeit. Seehandel und Arbeitsregeln in Hamburg und Kopenhagen vom bis zum 17. Jahrhundert. Bremerhaven 2005.
54 Duisburg, Rheinischer Städteatlas, S. 6-10; Milz, Neue Erkenntnisse, S. 99-104.
55 Heinrich Averdunk: Geschichte der Stadt Duisburg bis zur endgültigen Vereinigung mit dem Hause Hohenzollern (1666). Duisburg 1894. S. 237-268; Milz, Pfalz und Stadt Duisburg, S. 135ff.
56 Schletter, Die Duisburger Salvatorkirche, S.244, meint, dass Günther Binding 1969 den eindeutigen Nachweis erbracht habe, dass es zwischen der Saalkirche und der romanischen Kirche (Abb. e, P) keinen älteren Vorgängerbau gegeben habe. Dies ist nicht der Fall. Binding, Archäologisch-historische Untersuchungen, S. 83 schreibt dazu: ,,F. Tischler hat im Bereich der Krypta der staufischen Salvatorkirche P Baureste festgestellt, die er einer ähnlich großen Vorgängerkirche der Zeit um die Jahrtausendwende zuschreibt. Da wir uns aber von diesem Kirchenbau keine Vorstellungen seiner Grundrissform machen können, müssen auch alle weiterreichenden Schlüsse unterbleiben“.

Duisburger Pfennig
Abb. 13 Duisburger Pfennige Heinrichs IV. als König (1056-84), Rückseiten. Links: Kirche in Vorderansicht über Mauer vom Westen, unten Wellenlinie; rechts: Kirche in Seitenansicht mit Turm, Hauptschiff und Chor von Norden.

1129 wurde ein Streit zwischen den Einwohnern Duisburgs und dem Verwalter des königlichen Forstes, Herzog Walram von Limburg, um die Nutzung des Steinbruchs im Walde (Abb. 2, 6) vor dem königlichen Gericht in Duisburg entschieden. Den Einwohnern, hier schon als cives bezeichnet, wird gestattet, entsprechend ihrem Bedarf für öffentliche und private Zwecke Steine zu brechen. 57 Den Hintergrund bildete wohl eine umfangreiche Bautätigkeit in dieser Zeit. Die erste steinerne Stadtbefestigung, sicherlich nur im Einvernehmen mit dem König entstanden, war schon davor, im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts, errichtet worden. 58 Die Stadtwerdung Duisburgs war in dieser Epoche abgeschlossen. 

Auf den Häuserbau rund um die Pfalz bezieht sich eine Urkunde König Konrads III. von 1145. Er genehmigt seinen Getreuen Bürgern (cives) nachträglich diese Häuser (domos sie edificationes), damit er bei Hoftagen wie auch in anderen Pfalzorten für seine Fürsten und Getreuen bessere Quartiere habe. 59 Es folgten aber keine weiteren Königsbesuche.

Erst nachdem König Wilhelm von Holland Duisburg mit allen Einkünften an den königlichen Vogt Walram von Limburg verpfändet hatte, erfahren wir von einer neuen Nutzung der Pfalz durch den Deutschen Orden, wahrscheinlich seit 1254. Nach ihrer Zerstörung im Stadtbrand von 1283 wurde die Pfalz nicht wieder aufgebaut. 60

57 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 73
58 Porsche, Stadtmauer und Stadtentstehung, S. 105-109; siehe auch Anm. 55
59 DUB, Nr. 11; Milz, Neue Erkenntnisse S. 71-77, siehe auch Anm. 35.
60 Milz, Neue Erkenntnisse, S. 55 u. 77 f.